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Leitartikel
Tag 2 nach dem 22. Mai

Dämmerung
am
Projekt »D«


Von Rolf Dressler
Kein Zweifel mehr: Nach diesem Paukenschlag-Sonntag werden die Macht-Karten für ganz Deutschland von Grund auf neu gemischt. Das spüren alle Beteiligten, wir Bürgersleute genauso wie die frisch gewählten Freudentaumler und die tief betrübten heftig »Abgestraften«.
Beinahe schon rührend und wie aus einer anderen Zeit hörte sich da beispielsweise der respektable Grünen-Realpolitiker Michael Vesper an. Noch in der Wahlnacht flüchtete er sich in die Frust-Bemerkung, viele Menschen würden »am Montagmorgen aufwachen und (sich) sagen: Das haben wir so ja gar nicht gewollt«. Nun aber kommt es völlig anders. In Berlin vor allem, von wo aus der SPD-Kanzler offenbar fast im Alleingang den Sensationskracher Neuwahlen gezündet hatte, dreht jetzt die hellwache schwarz-gelbe Opposition die richtig großen Räder. Denn die Sozialdemokraten fuhren mit 37 mageren Prozent ausgerechnet in ihrer vermeintlichen Ewigkeitsfestung Nordrhein-Westfalen das miserabelste Ergebnis seit mehr als fünf Jahrzehnten ein. So etwas verleiht der Konkurrenz natürlich Flügel und Schubkraft für den Durchstart Richtung Wolke 7.
Gerhard Schröder wird sich mit Angela Merkel messen. Darauf kann der 7-Jahre-Kanzler sich zielklar einrichten. Nur, wie will er die Spaltpilz-Geister wieder einfangen, die der Männerfreund-Genosse Franz Müntefering aus der Klassenkampf-Flasche ins Freie entweichen ließ? Mit Gezeter über eine künftighin politisch »schwarze Republik« dürfte für die SPD kaum mehr ein Blumentopf zu gewinnen sein.
Deshalb kann und sollte sich die neue CDU/FDP-Regierung in Düsseldorf nicht lange mit Vorreden aufhalten. Energisches, konzentriertes Handeln, genau das erwarten die Bürger, fortdauerndes Wehklagen über die von Rot-Grün ererbten Altlasten garantiert nicht.
Anders gesagt: Schwarz-Gelb in Düsseldorf muss anschaulich, glaubhaft und verlässlich vorexerzieren, welchen Aufbruchsschwung eine CDU/CSU/FDP-Bundesregierung für das ganze Deutschland erzeugen könnte. Dabei zählt während des Bundestagswahlkampfes buchstäblich jeder Tag. Denn sonst würde sich rasch der Eindruck verfestigen, »die anderen« könnten es ja offensichtlich auch nicht besser als Rote und Grüne.
Allem Anschein nach hat das sogenannte rot-grüne Projekt seine Zukunft hinter sich. Es dämmert den Leuten. Zwischen Rhein und Weser wie an der Spree. Lan- ge, zu lange frönten SPD und grün-alternative Eiferer weithin ungehemmt einer fundamentalideologischen Anmaßung: Bis heute missverstehen sie Deutschland mitsamt seinen Menschen als ihren speziellen Experimentierkasten, als Versuchslabor am lebenden Spielobjekt.
Das aber irritiert all jene, die doch eigentlich gerade hier etwas Nützliches und Einträgliches unternehmen oder bewegen würden. Dies von Grund auf zu ändern, dürfte jeder neuen Regierung zur Ehre gereichen - und Deutschlands Menschen hoch erfreuen.

Artikel vom 24.05.2005