17.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Visite« mit Clownsnase bringt
ein Lachen auf die Kinderstation

250 Clowns besuchen in Deutschland Kinder und ältere Menschen im Krankenhaus

Von Andrea Roderfeld
Ahlen (WB). Es ist ja nicht so, dass sie gar nichts zu lachen haben. Aber wenn sich die Clowns Lila und Spargel auf den Weg durch die Kinderstationen im Ahlener Franziskus-Hospital machen, dann ist das schon etwas ganz Besonderes. Nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei Pflegern, Schwestern und Ärzten. Denn für einen Augenblick gerät die Krankheit in Vergessenheit. Ein paar Minuten haben Seifenblasen, Zauberkugeln und Mundorgel Vorrang. Immer kunterbunt, mal leise, mal sanft, mal laut und lustig bringen sie Abwechslung an jedes Krankenbett.

Alina hat Geburtstag. »Nicht richtig, aber das macht nichts«, meint Spargel. Er spielt ein Geburtstagsständchen auf seiner Mundorgel, verteilt Möhren als Geschenke und organisiert beim Pfleger ein Stück Kuchen für das Mädchen, das nicht aufstehen darf. Für kurze Zeit ist Alina abgelenkt und feiert ihren »Geburtstag«.
»Es geht nicht darum, die Kinder zum Lachen zu bringen, sondern wir wollen die Atmosphäre verändern«, erklärt Andreas Hartmann. Gemeinsam mit Hilde Cromheecke ist der 47-Jährige regelmäßig unterwegs. Als Spargel und Lila gehen sie ganz individuell auf jedes Kind ein. »Wir gehen mit Krankheiten ganz anders um, als die Erwachsenen. Wir sind neugierig statt mitleidig«, erklärt die 42-jährige Belgierin die besondere Wirkung der Clowns. In ihrem giftgrünen Plisseekleidchen, mit geringelten Strümpfen, großen Blümchen auf den Schuhen und einem lilafarbenen Mützchen spielt sie in dem Duo die Chefin. Sie weiß Bescheid und spiegelt mit ihren Fragen und Erklärungen die Gesellschaft wider. Andreas Hartmann ist als Spargel frech und naiv, schlägt sich immer auf die Seite der Kinder und würde einen Suppenkasper nie zum Essen auffordern, sondern selber zu Spagetti mit Tomatensoße greifen.
Noel ist 15 Monate. Ein schwerer Job für Lila und Spargel, denn der kleine Junge hat Angst vor den beiden Unbekannten. Zunächst pustet Lila Seifenblasen in den Raum und zerpickt sie. Noel schaut zu - in sicherer Obhut auf dem Arm seiner Mutter. Nach ein paar Minuten hilft er bereits mit und versucht die bunten Seifenblasen zu fangen. Die Angstschwelle ist überwunden. Jetzt geht er freiwillig zu Lila und spielt mit ihr und »Ratte Wanda«.
Doch die Zeit drängt, es warten noch mehr Kinder auf den Besuch. »Es ist schade: Wenn es am Schönsten ist, müssen wir gehen«, bedauert Hilde Cromheecke. Nach einem festen Plan arbeiten sich die Clowns durch die Stationen der Kinderklinik.
Mandeloperation, Beinbruch, Infektionen oder eine Gehirnerschütterung. Gründe für einen Aufenthalt im Ahlener Krankenhaus gibt es viele. Meist sind die Eltern Tag und Nacht anwesend. Bunte Zeichnungen an den Wänden mit Asterix und Obelix, Benjamin Blümchen oder Tom und Jerry wirken fröhlich und kindgerecht. Doch das Krankheitsthema bestimmt den Tag, beim Personal, bei Eltern und bei den Kindern. Erst mit der Anwesenheit der Clowns verschwindet der medizinische Schleier - wie durch Zauberhand.
Clowns gibt es viele, organisiert in einem deutschen Dachverband sind es noch wenige. Aber nur in der Gemeinschaft ist die Qualität gewährleistet, die den beiden Schauspielern Hilde Cromheecke und Andreas Hartmann bei ihrer Arbeit besonders wichtig ist.
Noch bevor sie die Kinder besuchen, informieren sie sich über die einzelnen Fälle: Name, Alter und Krankheit. »Diese Übergabe und die gute Zusammenarbeit mit dem Personal sind uns besonders wichtig. Nur so können wir den Heilungsprozess ganz konkret unterstützen.«
Luise darf beispielsweise nicht mobilisiert werden, sie muss ruhig liegen bleiben, Natalie leidet unter psychische Problemen, Maurice hat eine Blindarmoperation hinter sich und Philipp ist gerade erst operiert worden. So wissen Lila und Spargel gleich, ob ansteckende Krankheiten vorliegen, ob die Kinder aufstehen dürfen und ob sie zum Verstecken spielen gesund genug sind. Vor jeder Tür werden die Notizen überflogen, so dass beide Clowns Bescheid wissen, welches Kind im Krankenbett liegt. Manche Kinder schlafen, manche halten sich im Spielzimmer auf und manche sind in den Fluren auf Erkundungstour.
»Dürfen wir hereinkommen«, fragen sie vorsichtshalber nach, bevor sie eintreten. Im Spielzimmer sind gleich mehrere Mädchen mit ihren Müttern. Als einzige männliche Person muss Spargel draußen bleiben, findet Lila. Aber Spargel greift zu einem Trick. Er zaubert. Alle Kinder sind mit Eifer dabei und fiebern während der Vorführung mit.
Philipp hat den Zaubertrick nicht sehen können, er liegt in seinem Bett, sprechen kann er nach der Mandeloperation noch nicht gut. Er wünscht sich, dass ihm die beiden Clowns eine Geschichte erzählen: Aus Spargels Körbchen tauchen kleine bunte Holzklötzchen auf. Sie werden zusammengelegt und wandern als Katze, Karla, Haus und Schaukel auf Philipps Tisch. Im Wechseldialog erzählen die beiden Clowns eine Geschichte: Karla stellt fest, dass man nicht alleine schaukeln kannÉ »Wir haben die Geschichte noch nie so erzählt. Sie variiert immer wieder«, betonen Hilde Cromheecke und Andreas Hartmann. »Das wäre ja auch für uns zu langweilig.«
Neben der Krankenhaus-Arbeit spielen sie in Kinder-, Straßen- und Improvisationstheatern mit oder arbeiten in Workshops. »Clownerie kann nur ein Standbein sein«, meint Andreas Hartmann. Neben dem Ahlener Hospital besucht er auch regelmäßig eine Onkologie-Station in Essen. »Dort ist das Leid der Kinder viel größer und unsere Arbeit noch viel wichtiger.«
In Ahlen ist der Spaß für die Kranken nach gut drei Stunden vorbei. Alle Kinder haben ein Stück mitreisen können in die Welt des Lachens, Staunens und des Zaubers. Ihnen gehörte für ein paar Minuten die ungeteilte Aufmerksamkeit der Clowns, auch wenn nicht jedes Kind einen Geburtstag außer der Reihe feiern durfte.

Artikel vom 17.06.2005