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»Wir müssen ökologisch Spitze sein«

Heute im Gespräch: Michael Vesper, Minister und Vize-Ministerpräsident

Bielefeld (WB). Windkraft, ökologische Wegweisungen und neue Chancen durch einen Nationalpark: Damit wirbt Michael Vesper, grüner NRW-Minister aus Bielefeld. Fragen von Reinhard BrockmannMichael Vesper, grüner Minister aus Bielefeld, sitzt seit 1990 im Landtag. Foto: Borgmeier

Das TV-Duell hatte nur Sieger. FDP und Grüne kamen kaum vor. Sie sind also die Verlierer?Vesper: Im Gegenteil: Peer Steinbrück ist als Sieger über die Ziellinie gegangen und jeder weiß, er kann nur Ministerpräsident bleiben, wenn die Grünen viel stärker als die FDP werden.

Die Kleinen gelten den Großen als Buhmann. Die FDP der SPD als Funktionärsfresser, die Grünen der CDU als Job-Killer. Vesper: Im globalen Wettbewerb werden wir in Deutschland nur neue Arbeit schaffen, wenn wir bei der technologischen Entwicklung ganz vorn bleiben, und das heißt auch ökologisch Spitze sind. Der Dieselrußfilter ist ein Beispiel dafür. Wir haben vor Jahren schon die Hersteller gemahnt und sind verlacht worden. Heute verkaufen französische und japanische Autohersteller diese deutsche Technologie, verdienen damit eine Menge Geld und sichern dort Arbeitsplätze. Die Deutschen haben leider gepennt. Ökologie und Arbeit gegeneinander zu diskutieren ist und bleibt dumm.

Gutachten für 70 Millionen Euro haben 2004 verhindert, dass mit dem Geld 1400 Lehrer hätten bezahlt werden können.Vesper: Unsinn. Dieser Vergleich ist lächerlich. Es wäre töricht, wenn eine Landesregierung auf wissenschaftliche Unterstützung verzichtete. Und diese Landesregierung hat als einzige in den vergangenen Jahren 4000 zusätzliche Lehrer eingestellt. Durch die wenig beliebte Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde ist weiterer Unterricht erteilt worden.

Zweiter Vorwurf der FDP: Windkraftfonds nutzen besser verdienenden Grünen, bezahlen müssen Rentner über künstlich hohe Stromrechnungen.Vesper: Es geht bei der Windenergie nicht um eine Subvention, sondern um eine degressive, mit den Jahren abnehmende Umlage, die Stromkunden bezahlen und für einen Haushalt im Schnitt 20 Euro pro Jahr ausmacht. Soviel sollte uns der Einstieg in die erneuerbaren Energien wert sein.

Marktwirtschaftler ärgert, dass mit 3 Milliarden Euro mehr Subventionen, Zwangsabgaben und Steuervorteile in den Wind geschrieben wurden, als selbst die heimische Steinkohle an Steuergeldern bekam.Vesper: Steinkohlesubventionen sind Hilfen beim Auslauf der Technologie von gestern. Investitionen in erneuerbare Energieen sind Zukunftsinvestitionen. Die Windkraft hat einen unglaublichen technologischen Sprung gemacht. Anfangs waren 150 Kilowatt Spitzenleistung auf einem Mast installiert, heute wird der achtfache Wert erreicht. Damit hat es die Windkraft in wenigen Jahren zum Exportschlager auf dem Weltmarkt gebracht, der weit mehr Arbeitsplätze bereitstellt als die Steinkohle.

Wie viele Windmühlen kann NRW noch verkraften?Vesper: Wenige hundert könnten noch hinzukommen. Ich setze mehr auf »Repowering«, also den Ersatz bestehender Anlagen durch leistungsfähigere. Die elektrische Leistung kann sogar bei Reduzierung der Standorte auf diese Weise mehr als verdoppelt werden.

Kann Windkraft ersetzen, was beim Atomausstieg wegfällt?Vesper: Nicht allein, aber sie kann einen wichtigen Beitrag leisten. Dazu kommen Sonne, Biomasse und Erdwärme. Beiträge müssen auch Verbraucher und Unternehmen durch Einsparungen und Erzeuger durch mehr Effizienz leisten. Da ist Potenzial.

Falsche Zahlen im Forst-Gutachten gefährden ihren Wahlkampfknüller »Nationalpark«.Vesper: Der erste Nationalpark in NRW hat in der Eifel zu einem wirtschaftlichen und touristischen Boom geführt. Niemand will der Region OWL einen Nationalpark aufzwingen. Aber ich bin sicher, dass bei einer sachbezogenen Debatte eine Mehrheit dafür ist.

Ein früherer Berater wirft Frau Höhn Berechnungen zum Holzeinschlag vor, die vor Fehlern nur so strotzten. Vesper: Fakt ist, dass es einen Holzüberschuss von drei Millionen Festmetern gibt. Die knapp 40 000 Festmeter Buche, von denen Professor Andreas Schulte spricht, sind überhaupt kein Problem. Das sieht auch der Bund deutscher Forstleute so.

Bärbel Höhns Vorstellung von der Parallelnutzung der Senne durch Touristen und Militärs ging nicht auf. Wurde deshalb die Egge nachgeschoben? Vesper: Nein, auch die Egge ist eindeutig nationalparkwürdig.

Wann wollen Sie, gar Seite an Seite mit denen, die noch ergebnisoffen diskutieren, den Nationalpark eröffnen?Vesper: Ich habe als junger Landtagsabgeordneter 1990 einen Antrag zur Errichtung einer Nationalparks Senne eingebracht, der von allen Parteien angenommen wurde. Ich würde mich freuen, wenn es bis zur Mitte der neuen Legislaturperiode den zweiten Nationalpark gibt.

Artikel vom 19.05.2005