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Ganz eigene Gattung

Meisterhaftes in der Städtischen Galerie Schloß Neuhaus

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WB). Meisterzeichnungen von der Frühphase der graphischen Kunsttechnik bis in die Hochzeit der deutschen Klassik zieren derzeit die Galerie in der Reithalle Schloß Neuhaus bei Paderborn.

Der florentinische Meister Sandro Botticelli (um 1445 bis 1510) und der deutsche Rokokomaler Johann Heinrich Tischbein d.Ä. (1722-1789) bilden die künstlerischen wie zeitlichen Eckpfeiler der Sonderausstellung, die ansonsten thematisch, genremäßig und technisch breit gefächert einen erlesenen Querschnitt durch die Zeichenkunst der Renaissance, des Manierismus und der Klassik bietet. Zu den bekanntesten Künstlern zählen ansonsten Rosso Fiorentino, Lucas Cranach d.Ä., Rembrandt van Rijn und Jan von Goyen. Sämtliche 100 Blätter stammen aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen.
Im späten Mittelalter findet erstmals das Papier Verwendung als Malgrund. Das bereits um 1100 aus dem arabischen Raum nach Europa gelangte Material vermag freilich das bewährte Papyrus erst zu verdrängen, nachdem Papiermühlen für eine raschere Verbreitung sorgen. Das preiswertere Papier kommt auch Künstlern gelegen. Es lässt sich leicht transportieren, eignet sich zum skizzenhaften Entwurf größerer Leinwand-Kompositionen und ermöglicht rasches, konzentriertes Arbeiten. Als Malgrund eignet es sich für Tinten, Metall- und Silberstift, Kohle, Graphit oder Kreiden.
Die Neuhäuser Ausstellung dokumentiert mit Arbeiten aus vier Jahrhunderten die Herausbildung einer eigenen künstlerischen Gattung, die sich in ihrer nuancenreichen Detailfülle, aber auch mit der Beschränkung auf wesentliche Konturen, neben der Malerei und der Bildhauerei etabliert. Gezeigt werden Meisterwerke aus der italienischen, flämischen und deutschen »Schule«, wobei die unterschiedlichsten Sujets ausgebreitet werden: religiöse und mythologische Motive, Landschaften und Figuren-Ensembles, Porträts und Genreszenen.
Die äußerst empfindlichen Originale werden in der Neuhäuser Reithalle in stark gedämpftem Licht präsentiert. Kleine Texttafeln erläutern die Entwicklung der künstlerischen Zeichnung und gehen auch auf ihre Funktion als sizzenhafte Vorstudie ein. Unter den Originalen befinden sich einige Exemplare mit Quadrierung, die den proportionalen Übertrag in andere Formate ermöglichen. Außerdem ist zur Ausstellung, die am Freitagabend eröffnet wurde und bis zum 19. Juni gezeigt wird, ein umfangreicher Begleitkatalog (19 Euro) erhältlich.
Städtische Galerie in der Reithalle Schloß Neuhaus: Meisterzeichnungen von Botticelli bis Tischbein, bis 19. Juni, täglich außer montags 10 bis 18 Uhr.

Artikel vom 02.05.2005