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Benedikt begeistert Becker:
»Alte Etiketten überholt«

Der Paderborner Oberhirte trifft heute Morgen den neuen Papst

Von Reinhard Brockmann
Rom (WB). »Die Etiketten, die man Kardinal Ratzinger angehängt hat, gelten nicht mehr.« Angetan von der Völksnähe des neuen Papstes hat sich gestern Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker in Rom gezeigt.
Geleitet von Bischof Joseph Clemens erlebt Georg Ratzinger seinen Bruder, den Papst.

Keine zehn Meter vom Papstaltar entfernt, direkt vom Block der deutschen Bischöfe aus, erlebte Becker die Amtseinführung von Benedikt XVI. Statt des distanzierten »Sie«, habe er die Gläubigen mit »Ihr « und »Euch« angesprochen. Er habe die Herzen erreicht und vom Papamobil aus auf dem Petersplatz ein eindeutiges Zeichen seiner Volksverbundenheit gesetzt, sagte Becker.
Schon eine Stunde vor dem Beginn war Becker auf dem Petersplatz. Der Paderborner Oberhirte wohnt in diesen Tagen im Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz in unmittelbarer Nähe des Vatikans.
Becker spürte sofort die Resonanz, die Benedikt XVI. gleich zum Beginn seiner Predigt fand. Beifall brandete auf, schon als der neue Papst an seinen Vorgänger erinnerte und sagte: »Er ging nicht allein. Wer glaubt, ist nie allein im Leben und auch im Sterben nicht.«
Bemerkenswert fand Becker auch das Anknüpfen an das Wort Johannes Pauls II., der mit Blick auf das Ende der Unrechtsregime 1990 gesagt hatte: »Habt keine Angst, fürchtet euch nicht.« Benedikt führe ganz klar eine Linie fort, die bedeute, jetzt die christliche Botschaft in die Leere nach dem Ende des Kommunismus zu tragen. Es gelte, Vorbehalte gegenüber der Botschaft Christi zu überwinden und sie den Menschen zu öffnen.
»Ich brauche in dieser Stunde keine Art von Regierungsprogramm vorzulegen«, sagte Benedikt, überzeugte mit deutlichen Worten und klarer Ansprache. »Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde, dass er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen.« Kein Zweifel: Dieser Papst weiß um die Menschen und ihre Ungeduld. Benedikt beschreibt den Planeten und damit die Menschheit als Wüste, die wächst. Starke Worte und mächtige Bilder strahlen an diesem sonnenverwöhnten Tag über dem Petersplatz.
»Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung.« Für Paderborn sei dieses Papstwort ein direkter Anknüpfungspunkt an den Weltjugendtag im August, sagt Becker. Er verspricht sich gerade von der mit großem Interesse verfolgten Predigt Benedikts XVI. einen zusätzlichen Schub zur Mobilisierung aller Kräfte daheim, um noch mehr junge Leute für das Ereignis im Sommer in Köln zu gewinnen.
Auch der Jugendtag des Priesterseminars am kommenden Samstag in Paderborn sei geeignet, junge Menschen mit der Botschaft der Kirche in Kontakt zu bringen. Ein Forum dort stellt sich der Frage: »Wer ist der neue Papst beim Weltjugendtag?«
Benedikt macht den Massen Mut, bleibt aber realistisch angesichts der notwendigen Anstrengungen: »Der Wille Gottes entfremdet uns nicht, er reinigt uns - und das kann weh tun.« Viele verstehen diese Botschaft als Aufruf zum Widerstand gegen den Hauptstrom der Gesellschaft. »Betet für mich, dass ich nicht furchtsam vor den Wölfen fliehe.«
Benedikt selbst macht sich klein. Nach dem »Arbeiter im Weinberg« vom Dienstag ergänzte er gestern: »Und nun, in dieser Stunde, muss ich schwacher Diener Gottes diesen Auftrag übernehmen, der doch alles menschliche Vermögen überschreitet.« Wie er das stemmen kann, sagt sein Hinweis auf die Gläubigen - »Ich bin nicht allein« - rundum: »Aber ihr alle, liebe Freunde, habt nun die ganze Schar der Heiligen stellvertretend durch einige der großen Namen der Geschichte Gottes herbeigerufen.«
Das Pallium: Auch Paderborns Erzbischof trägt eine solches Schultertuch. Für Benedikt ist es ein uraltes Zeichen aus der Zeit vor der Kirchenspaltung. Die Bischöfe von Rom trügen es seit dem 4. Jahrhundert, sagt er. Für Benedikt ist es auch so etwas wie »das Joch Christi, das der Bischof dieser Stadt, der Knecht der Knechte Gottes, auf seine Schultern nimmt.« Die Symbolik des Palliums sei aber noch konkreter, ergänzt er: Aus der Wolle von Lämmern gewoben soll es ein verirrtes Lamm darstellen, das der Hirte auf seine Schultern nehme, um es zu den Wassern des Lebens zu tragen. Das Gleichnis vom verlorenen Schaf, dem der Hirte in die Wüste nachgeht, ist für die Kirchenväter ein Bild für das Geheimnis Christi und der Kirche gewesen. Benedikt XVI.:»Die Menschheit, wir alle, sind das verlorene Schaf, das in der Wüste keinen Weg mehr findet.«
Becker ist wie die große Zahl der Bischöfe, Staatsgäste und Gläubigen an diesem Tag in Rom besonders beeindruckt von der Symbolkraft der Worte des neuen Papstes. Deshalb freut er sich schon auf künftige Begegnungen und den Dialog mit dem deutschen Papst, der auch seiner Ortskirche neue Impulse zu verleihen verspricht.
Zu einem ersten Treffen wird es für den Paderborner Erzbischof an diesem Montag kommen. Da nur wenige Bischöfe aus Deutschland anwesend sind, darf der Paderborner Oberhirte um 10 Uhr bei der Audienz für die deutschen Gäste auf ein erstes Gespräch mit seinem Heiligen Vater hoffen. Er wird ihm die Glückwünsche aller Gläubigen und Priester im Erzbistum Paderborn übermitteln.

Artikel vom 25.04.2005