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Der Star ist die Mannschaft? Nicht überall. Es gibt ein paar Vereine in der Liga, die sind von nur einem Mann ganz stark abhängig. Von seiner Lust, von seinen Launen. Werder Bremen, Hertha BSC und der FC Schalke 04 setzen hier auf »Zehner« mit einem ausländischen Pass, die Traumpässe spielen können.

Die Diva Micoud
Im Bremer Meisterjahr, da kickte der Franzose sehr oft meisterlich. Johan Micoud, die Diva. Aber auch der Denker und Lenker. Ein genialer Vorbereiter, der selbst auf Trefferjagd ging. Um die Liga-Krone spielt der Titelverteidiger schon lange nicht mehr mit. Ein Grund: Micoud, die Zentrale mit der »10«, erreicht nicht das Format der Saison 2003/2004.
Klaus Allofs, der Sport-Direktor an der Weser, hat das natürlich auch längst erkannt. Micoud, sagt er, ist noch immer gut, aber nicht mehr der Beste. Sechs Tore und acht Torvorlagen. Für einen Ausnahmekönner wie ihn bisher nur eine bescheidene Quote.
Dafür »schlug« der Franzose einmal zu, als es nicht um wichtige Punkte ging. Seine Attacke gegen Fabian Ernst ist in Bremen zwar abgehakt, aber noch lange nicht vergessen. Das »Duell« passte nicht in das Bild dieser angeblich so heilen Fußball-Welt der Hansestädter. Ernsthafte Konsequenzen wurden gegen Micoud nie erwogen. Unverzichtbare Stars dürfen sich immer etwas mehr erlauben.

Der Star Marcelinho
Das weiß natürlich auch Marcelinho. Und nutzt das aus. Der Brasilianer, ein unberechenbarer Spieler-Typ. Auf dem Platz. Aber auch vor allem außerhalb des Stadions. Da musste Hertha-Manager Dieter Hoeness schon mehrfach beide Augen zudrücken.
Finanzprobleme, nächtliche Streifzüge, Disko-Pläne, Handgreiflichkeiten gegen Kapitän Arne Friedrich, die Liste der Verfehlungen ist ziemlich umfangreich. Aber in Berlin wird sie gegen die sportlichen »Volltreffer« aufgerechnet. Und da spricht alles für Marcelinho, die Nummer 10. Dass Hertha aus dem Keller nach oben stürmte und jetzt von der internationalen Qualifikation träumen darf, ist in erster Linie Marcelinho zu verdanken.
Schon 15 Tore. Ein Dutzend torreife Vorlagen. Da hat kein Mittelfeldmann der Liga mehr zu bieten. Marcelinho ist ohne Zweifel in diesen Wochen der auffälligste Kicker im deutschen Oberhaus. Mit tollen Treffern, wenn's sein muss auch schon mal aus 48 Metern. Und wegen seiner kunterbunten Haarpracht sowieso.

Das Ass Lincoln
Der »Zehner« des FC Schalke 04 spielt ebenfalls eine glänzende Saison. Aber Lincoln gibt nicht die Dauer-Diva. So wie die Egozentriker Micoud und Marcelinho. Hier ist einer froh, dass er nach schweren Zeiten in Kaiserslautern endlich immer mitspielen darf - und seine Klasse beweisen kann.
Schalkes Finanzchef Josef Schnusenberg hat den Brasilianer sogar schon als »Geschenk des Himmels« bezeichnet. Und über den Wolken schwebt der Mittelfeldmann auch oft bei seinen Darbietungen. Neun Tore, acht treffliche Vorbereitungen, eine beachtliche Zwischenbilanz.
Wie wertvoll Lincoln ist, wurde zuletzt deutlich. Als er in Stuttgart Gelb-Rot sah und anschließend gegen den Hamburger SV pausieren musste, kassierte Schalke erstmals in der laufenden Saison zwei Niederlagen hintereinander.
Klaus Lükewille

Artikel vom 23.04.2005