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»Berlin und Jerusalem brauchen
Jubiläum, um Bilanz zu ziehen«

Seit 40 Jahren diplomatische Beziehungen - Gespräch mit Israels Gesandtem

Von Dirk Schröder
Bielefeld (WB). Im Mai jährt sich zum 40. Mal die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Für den Gesandten der israelischen Botschaft in Berlin, Ilan Mor, ist dies vor allem ein Anlass, um innezuhalten: »Deutschland und Israel brauchen das Jubiläum, um Bilanz ihrer Beziehungen zu ziehen.«

Es sei richtig, dass Deutschland der »zweitbeste Freund« und zweitwichtigste Handelspartner Israels nach den USA sei. Mit mehr als 90 Städtepartnerschaften liegt Deutschland sogar an erster Stelle. Doch in den letzten zehn Jahren habe sich etwas verändert in den besonderen Beziehungen beider Länder, oder wie es der stellvertretende Botschafter ausdrückt: in den einzigartigen Beziehungen.
Mor, der seit dem letzten Jahr in Berlin ist, war bereits von 1992 bis 1996 in Deutschland, damals als Pressesprecher der israelischen Botschaft in Bonn. Seit dieser Zeit, seit dem Beginn der Intifada, habe sich Israels Ansehen in Deutschland, in Europa verändert, haben sich Schatten über die Beziehungen gelegt. Mor beklagt, dass Israel in der Europäischen Union, zunehmend aber auch in Deutschland, zum Sündenbock des Nahostkonflikts gemacht worden ist.
Auch in den deutschen Medien vermisst der Diplomat das »Fairplay«. Israel habe Kompromisse gegenüber den Palästinensern gemacht, doch habe sein Land auch »das Recht und die Pflicht«, sich gegen den Terror zu verteidigen. Mor: »Die Medien berichten nicht die ganze Wahrheit, das ergibt ein irreführendes Bild.«
Was wird im Irak passieren? Das ist für den Gesandten die Schlüsselfrage bei der Lösung des Nahost-Konflikts. Israel und die Palästinenser würden eine Lösung finden.
Mor hofft, dass sich bei den Palästinensern die Einsicht durchsetzen wird, dass der Terror nichts gebracht habe, man sich mit Israel politisch auseinandersetzen müsse. Am Ende könne eine Vereinbarung stehen, die aber nicht mit Gewalt erzwungen werden könne. So nennt es Mor einen Fehler des Arafat-Nachfolgers Mahmud Abbas, dass er die radikale Hamas, die an der palästinensischen Parlamentswahl am 17. Juli teilnehmen will, nicht entwaffnet hat. Mor: »Eine politische Partei, die auch mit Waffen gerüstet ist, das ist für uns nicht hinnehmbar.«
Der Diplomat bedauert, dass dies in Europa nicht verstanden werde und nennt den Grund für das Missverständnis: »In Europa bedeutet Ýnie wiederÜ nie wieder Krieg, in Israel bedeutet Ýnie wiederÜ nie wieder Holocaust.« Israel sei das einzige demokratische Land im Nahen Osten, rundherum seien Länder, die das Existenzrecht des jüdischen Staates nicht anerkannt hätten. Manche trieben eine Politik, nach der Israel vernichten solle. »Das bedeutet, wir müssen uns ständig verteidigen.«
Mor nennt es einen »Schlag ins Gesicht«, wenn Kritik am Bau des Sicherheitszauns geäußert werde. Es gehe um passive Verteidigungsmaßnahmen gegen den Terror, die auch politisch geändert werden könnten, sobald der Terror aufhöre und Verhandlungen stattgefunden hätten.
Mor erinnert in diesem Zusammenhang an die regelmäßigen anti-israelischen Äußerungen aus dem Iran. Selbst die Gemäßigten propagierten ständig die Vernichtung Israels, Langstreckenraketen seien auf sein Land gerichtet.
Der Gesandte hat auch keinen Zweifel daran, dass der Iran die Atombombe bauen will. »Wenn man alle Mosaiksteine zusammenfügt, ergibt dies ein klares Bild.« Seit 21 Jahren treibt der Iran das Atomprogramm vorwärts. »Wozu braucht Iran als zweitgrößter Ölexporteur eigentlich die Atomkraft?«, fragt Mor. Er fordert dazu auf, den politischen Druck auf Teheran zu verstärken, sonst werde Iran schon bald in der Lage sein, eine solche Waffe zu entwickeln.
Generell stellt Mor fest, solange Israel im Nahen Osten nicht anerkannt werde, würden die Schwierigkeiten bleiben. »Frieden wird durch Menschen gemacht, aber solange der Hass in der arabischen Welt anhält, gibt es keine Chance für einen stabilen Frieden.«
Für Mor ist das 40-jährige Jubiläum dennoch eine gute Chance, wenn nicht sogar eine Notwendigkeit, die Schatten, die sich mit der Verschärfung des Nahost-Konflikts auch auf die deutsch-israelischen Beziehungen gelegt haben, beiseite zu schieben. Es sei doch ein guter Anlass, über die kommenden Jahre nachzudenken. Deutschland sei eine starke Kraft in Europa, sagt Mor und hofft, dass sich Deutschland im Rahmen der EU weiterhin für Israel einsetzt.
»Berlin und Jerusalem haben einen privilegierten Status, der ist gut, aber nicht gut genug. Gemeinsam müssen wir diese Kluft verkleinern, erklärt Mor.« Geplant sind in diesem Jahr zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen zu Kultur, Sport, Wissenschaft und Wirtschaft.

Artikel vom 26.04.2005