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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Teufelskreis


In seinem offiziellen Redebeitrag für die Jahreshauptversammlung der Bürgergemeinschaft war Fraktionschef Ralf Schulze in dieser Woche um eine nüchterne Darstellung der Lage bemüht, in der anschließenden Diskussion machte er seinem Ärger aber dann doch unverhohlen Luft: Der Rat sei zu einer »Quasselbude« geworden, die Sitzungen eine »langwierige, breiige Geschichte«. Seit der jüngsten Kommunalwahl sei nichts auf die Beine gestellt worden, »die großen Parteien hüllen sich in Schweigen.«
Recht hat der Mann. Die ersten 200 Tage der neuen Wahlperiode sind verflogen, und nichts ist geschehen, was die Stadt in irgendeiner Weise voran bringen würde. Wie gelähmt scheinen alle auf den 22. Mai, den Tag der Landtagswahl, zu starren.
Nach außen hin wird dennoch der Anschein geschäftiger Ratsarbeit gewahrt. Ein Beispiel dieses Strebens wird in der kommenden Woche im Finanzausschuss zu erleben sein. Dann wollen SPD und Grüne in Sachen Haushalt auf den Putz hauen, den Kämmerer auffordern, nicht erst 2006, sondern schon in diesem Jahr die Neuauflage eines genehmigungsfähigen Haushaltssicherungskonzeptes vorzulegen. So soll die Stadt schneller wieder Herr über ihre eigenen Finanzen werden, nicht länger auf das Wohlwollen der Bezirksregierung angewiesen sein.
Gut gebrüllt. Aber was sind die Konsequenzen? Auch wenn sich die Finanzen langsam erholen mögen, bleibt dennoch allein in diesem Jahr ein Minus von 68 Millionen Euro. Die können auch mit allem finanztechnischen Geschick nicht aufgefangen werden. Nur mit wirklichen »Grausamkeiten« könnte das Geld hereingeholt werden.
Aber nichts, was wirklich wehtut, wurde in der Vergangenheit auch umgesetzt. Geht es um eine Reduzierung der Stadtbezirke, ist eine große Koalition sofort dagegen. Bei den Nutzungsentgelten für Sportvereine tut die Politik alles Erdenkliche, um sie zu verhindern und die 50 000 Vereinssportler nicht zu verärgern. Auch die letzte Stadtteilbibliothek soll mit Bürgers Hilfe offen gehalten werden und natürlich sämtliche von Initiativen betriebenen Freibäder.
Um nicht missverstanden zu werden: All dies ist jeweils für sich genommen redlich, nachvollziehbar und überaus wünschenswert. Aber niemand sagt den Bürgern ehrlich, dass man sich diese Dinge bei Licht betrachtet eigentlich nicht mehr erlauben kann. So kreisen die Rathaus-Debatten meist um sich selbst und bringen die Stadt schon lange nicht mehr weiter. Ein fataler Teufelskreis.

Artikel vom 16.04.2005