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Ein Topf mit blühenden Callas
und eine Totenkerze am Grab

Besuch an der Ruhestätte des Papstes - Gläubige stehen wieder Schlange

Von Carola Frentzen
Rom (dpa). Die ersten kamen schon um 5 Uhr morgens, noch bevor die Sonne über der Ewigen Stadt aufging. Als der Petersdom um 7 Uhr seine Pforten öffnet, stehen bereits hunderte Gläubige und Touristen in der Schlange, die wie eine Prozession langsam an der rechten Seite der Basilika vorbeizieht.

Viele Polen sind darunter, sie schwenken ihre weiß-roten Fahnen, alle wollen kurz an der Stelle beten, wo »ihr« Papst beerdigt ist. Fünf Tage nach der Beisetzung von Johannes Paul II. wurden die vatikanischen Grotten gestern erstmals für Besucher geöffnet. Und wieder kamen sie in Scharen. Das Phänomen »Karol Wojtyla« dauert an.
Nüchterne Schilder mit Pfeilen und der Aufschrift »Tomba di Giovanni Paolo II.« (Grab von Johannes Paul II.) weisen den Weg, zahlreiche Sicherheitskräfte und Schweizergardisten überwachen neben den Absperrungen mit strengem Blick die Menschenschlange. Es geht nur im Schritttempo vorwärts, die Menschen plaudern, schießen Fotos. Ein gemischtes Volk hat sich hier versammelt, Rentner, Nonnen, Pärchen - und wiederum unzählige Jugendliche. »Wir sind die ganze Nacht von Ligurien aus nach Rom durchgefahren, um das Grab gleich am ersten Tag zu sehen«, sagt ein Ehepaar aus La Spezia.
Schließlich geht es in die Grotten hinab, im Gänsemarsch vorbei an den Sarkophagen von Johannes Paul I., Julius III. und dem Erdgrab von Paul VI., dann kommt die Schlange ins Stocken. In den weiß getünchten Gewölben der Krypta halten die Menschen vor einem kleinen Raum auf der rechten Seite inne: Da liegt sie, die Marmorplatte mit der goldenen Aufschrift »IOANNES PAVLVS PP. II - 16 X 1978 - 2 IV 2005«. Dahinter ein Topf mit blühenden Callas, davor eine Totenkerze und ein Körbchen für Spenden, an der Wand ein Marmorrelief mit der Madonna und dem Kind. Genau so hat er es in seinem Testament bestimmt, der Heilige Vater aus Polen. Ein einfaches Erdgrab nach dem Vorbild von Paul VI., keine Schnörkel, kein Prunk.
Nach wenigen Sekunden schieben die Ordner die Besucher weiter. »Nicht anhalten! Bitte weitergehen!«, sagen sie. Für ein Gebet bleibt kaum Zeit, schließlich warten vor dem Petersdom noch Tausende auf Einlass. Auch Blumen sind verboten, der Vatikan befürchtete, dass das Grab schon nach wenigen Minuten mit Sträußen und Rosen übersät sein würde. Am prächtigen Petrus-Grab im Zentrum der Grotten vorbei geht es nach wenigen Minuten schon wieder Richtung Ausgang.
Draußen strahlt mittlerweile die Sonne vom tiefblauen Himmel. Zwei junge Sizilianer mit tief sitzenden Jeans, Sonnenbrille und Baseballkäppi kommen schweigend aus der Krypta. Sie seien extra aus Messina angereist, um das Grab gleich am ersten Tag zu sehen, sagen Samuele und Andrea. Die Reise hat sich gelohnt: »Dieser Mann hatte so eine Kraft, so eine Lebensfreude. Das Gefühl, an seinem Grab zu stehen, kann man gar nicht beschreiben.«
Unterdessen bereiten sich die in Rom versammelten Kardinäle auf die Papstwahl vor. Kirchenexperten rechnen mit einer raschen Wahl. Die etwa 115 Kardinäle treten am kommenden Montag zum Konklave zusammen.
Der angesehene »La Repubblica«-Vatikanist Marco Politi berichtete, auch italienische Kardinäle seien zur Unterstützung des deutschen Kardinals Joseph Ratzinger bereit. Der Kardinal aus Bayern, der an diesem Samstag 78 Jahre alt wird, war einer der engsten Vertrauten von Johannes Paul. Er wird seit längerem als möglicher Nachfolger gehandelt. »Unter den deutschen Kardinälen trifft Ratzinger allerdings auf äußerst starken Widerstand«, heißt es in der »Repubblica«.
Kirchenfachleute rechnen damit, dass in der kommenden Woche die Papstwahl abgeschlossen sein wird. Die Kardinäle dürften sich bereits »innerhalb weniger Tage« auf einen Nachfolger für Johannes Paul einigen, schrieb die römische Zeitung »Il Messaggero«. Damit solle dem neuen Pontifex eine starke Stellung gegeben werden, zudem beweise die Kirche mit einer schnellen Entscheidung innere Geschlossenheit.
Bereits nächsten Mittwoch oder Donnerstag werde der Vatikan vermutlich den 265. Papst der Kirchengeschichte präsentieren können. Schon im vergangenen Jahrhundert dauerten Papstwahlen in aller Regel nur einige Tage, frühere allerdings häufig Monate, mitunter auch Jahre.

Artikel vom 14.04.2005