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Immer noch
Hassgefühle
auf Dentisten

Elektriker fuhr mit Auto Amok

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Weil er sich 13 Jahre lang von einem Zahnarzt falsch behandelt fühlte und ständig unter Schmerzen litt, hat ein Bielefelder versucht, den Dentisten zu überfahren. Wegen versuchten Totschlags muss sich der 48-jährige Elektriker nun vor dem Bielefelder Schwurgericht verantworten. Gutachter haben bei dem Mann Wahnideen erkannt.

Unfassbares musste Dethard V. (alle Namen geändert) nach eigenen Angaben erleiden: 1992 sei er zunächst von dem Vater seines späteren Opfers behandelt worden, dann übernahm der Junior als Kieferchirurg den Patienten. So habe Zahnarzt Dr. Steffen R. mit einem Hammer und einer »Spitzhacke« in Miniaturausgabe ihm die Backenzähne »herausgeschlagen«. Der ursprünglich kranke Weisheitszahn indes sei unbehandelt geblieben, klagte Dethard V. gestern den Richtern.
Danach habe er eine Odyssee durch die Praxen von Bielefelder Kieferorthopäden angetreten. Die Schmerzen, die er erlitten habe, seien ständig stärker geworden. Nachdem ein renommierter Dentist schließlich den kranken Weisheitszahn behandelt habe, sei das abgebrochene Teilstück eines Bohrers in seinem Kiefer steckengeblieben. »Das habe ich mir nach sechs Wochen mit einer stumpfen Pinzette herausgezogen.«
Sein Hass auf Zahnarzt Dr. Steffen R. sei die ganzen Jahre ungebrochen geblieben, erklärte der Angeklagte zum Prozessauftakt ungerührt: »Ich hasse Dr. B. zutiefst.«
Als Dethard V. sich am 22. Oktober 2003 alkoholisiert (2,76 Promille) in seinen VW Golf setzte, sah er den Zahnarzt an der Detmolder Straße. Auf dem Rückweg zu seiner Wohnung ließ er den Motor aufheulen, fuhr dann nach Überzeugung von Staatsanwalt Hans-Dieter Heidbrede ungebremst auf den Mediziner zu. Dr. Steffen R. wurde aufgeladen und auf die Straße geschleudert. Er erlitt massive Prellungen und Verletzungen an der rechten Hand, deren Folgen jetzt noch nicht abzusehen sind. Im März 2004 dann randalierte Dethard V. vor der Haustür der Arztpraxis und zerdepperte dort eine Glasflasche. Diesmal griff die Polizei ein. In Anwesenheit der Beamten drohte er dem Arzt: »Ich bringe dich um!« Dem Schwurgericht gestand der Angeklagte gestern, dass er seinerzeit auch eine scharfe Schusswaffe mit 124 Schuss Munition besessen hatte.
Zwei Gutachter haben dem Angeklagten gestern eine verminderte Steuerungsfähigkeit attestiert. Allerdings habe der Mann während der Taten zweifellos lichte Momente gehabt - er habe zeitweise gewusst, was er getan habe. Unabhängig, ob der Anlass für seine Rachsucht realistisch sei, sei die Prognose für Dethard V. schlecht. Es sei zu erwarten, dass er die Wahnideen auch auf andere Menschen - also zum Beispiel andere ihn behandelnde Mediziner - ausweite. - Ob der Elektriker nun wirklich oder aber überhaupt nicht von Dr. B. behandelt worden ist, blieb auch nach dessen Zeugenaussage offen. Die Richter jedenfalls hielten gestern diese Option für durchaus möglich.

Artikel vom 13.04.2005