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Das Geheimnisvolle
bleibt weiter gewahrt

Zwei neue Publikationen über Ingeborg Bachmann

Von Irmgard Schmidmaier
Wien (dpa). Nahrung für den »Mythos«: Mehr als 30 Jahre nach dem Tod der österreichischen Dichterin Ingeborg Bachmann (1926-1973) erscheinen immer wieder neue Titel mit unveröffentlichtem Material.

Gedichte aus dem Nachlass, ein Briefwechsel Ingeborg Bachmanns mit Hans Werner Henze und zuletzt ein Band mit Gesprächen in Rom, kurz vor ihrem Tod aufgezeichnet, versorgen jetzt die Bachmann-Adepten mit neuem Stoff. Doch auch die jüngsten Publikationen tragen eher dazu bei, das Geheimnisvolle der Autorin zu wahren. Dabei ist vieles aus dem Leben der Bachmann bekannt. Ihre unerfüllte Liebe zu dem Dichter Paul Celan, die dramatische Beziehung zu dem Schriftsteller-Kollegen Max Frisch, ihr Drogen- und Alkoholproblem. »Es gibt aber sicher eine voyeuristische Neugier, vielleicht doch noch Neues zu erfahren. Man kann sich sehr viel zusammenreimen. Doch bleibt immer etwas Ungelöstes, Verschwommenes, und das macht den Mythos aus«, urteilt die österreichische Literaturwissenschaftlerin Daniela Strigl.
Neugier weckt auch der unter dem Titel »Ingeborg Bachmann/Hans Werner Henze. Briefe einer Freundschaft« veröffentlichte Briefwechsel (Hrsg. v. Hans Höller, Piper Verlag, 537 Seiten, 24,90 Euro). Telegramme von wenigen Worten und Seiten lange Briefe, fast tägliche Notizen, dann wieder Monate ohne Nachricht. Der Briefwechsel zwischen dem Komponisten und der Schriftstellerin ist unregelmäßig und fragmentarisch, doch zeugt er von großer Nähe und tiefer Freundschaft der Künstler. Der überwiegende Zahl der Beiträge stammt aus Henzes Feder, viele der Bachmann-Briefe sind verloren gegangen oder wurden nicht frei gegeben. So wird »Die Bachmann« einmal mehr zur Chiffre ihrer selbst.
Im Band »Ein Tag wird kommen. Gespräche in Rom« gibt die Journalistin Gerda Haller persönliche Gespräche mit der Dichterin aus ihrer Zeit in Rom wieder (Jung und Jung Verlag, Salzburg 2005, 103 Seiten, mit CD, 25 Euro). Die Gespräche sollten einen Film vorbereiten, der nicht mehr realisiert wurde. So verweist auch dieser Band auf den tragischen Tod der Österreicherin, die beim Rauchen einschlief und ihren Verletzungen erlag, und bestärkt mit fragmentarisch wirkenden Passagen das verschwommene Bachmann-Bild.
Tatsächlich neue Fakten vermitteln die beiden Veröffentlichungen nicht. Doch bestätigen die Publikationen das noch rege Interesse an der Dichterin, über die sich die Kritik weder in der Bewertung noch in der Einordnung einig ist. Auch Bachmanns Bedeutung für die literarische Gegenwart ist für Strigl unbestritten. Jüngere Autoren von Thomas Raab bis Olga Flor nehmen Bezug auf die Ikone der österreichischen Nachkriegsliteratur, wenn auch mit unterschiedlichem Zugriff: Raab nimmt den Opfermythos unter die Lupe, Flor bezieht sich wie einige zeitgenössische Schriftstellerinnen bejahend auf die Dichterin.
Die Literaturkritikerin führt die Bedeutung Bachmanns vor allem auf die »erstaunliche« Kontinuität der gesellschaftlichen Verhältnisse zurück, die Bachmann in den 1960er Jahren beschrieben hat: »Das wirkt ja antiquiert, die Kritik an der Dominanz des bürgerlichen Modells etwa. Aber das taucht zum Beispiel heute bei Marlene Streeruwitz wieder ganz zentral auf. Man staunt, wie haltbar diese Muster sind. Solange die sich halten, wird die Bachmann immer herumgeistern.«

Artikel vom 05.04.2005