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Geballte Kritik an Schröder

Protest in allen Parteien gegen angedrohten Alleingang in der China-Politik

Berlin (dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat mit seinem angedrohten Alleingang für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China quer durch die Parteien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Führende Politiker von SPD und Grünen äußerten gestern die Hoffnung, dass ein Ende des Lieferstopps für Waffen an Peking am Widerstand innerhalb der EU scheitern werde. Schröder hatte angekündigt, er werde sich in dieser Frage notfalls über den Bundestag hinwegsetzen, weil er die Richtlinien in der Außenpolitik bestimme. Schröder hatte erklärte, er gehe zwar mit jeder Entscheidung des Parlaments »ernsthaft« um. Laut Grundgesetz werde die Außenpolitik aber von der Bundesregierung gemacht. »Die Verfassungslage ist eindeutig«.
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer betonte, seine Partei stehe mit ihrem Widerstand gegen eine Aufhebung des Embargos in der Koalition nicht allein da. Dies sei aber keine Frage, die die deutsche Außenpolitik im Alleingang entscheiden könne. Letztlich könne die Aufhebung des Embargos nur im Konsens innerhalb der EU beschlossen werden. »Ich rechne eigentlich gar nicht mit einer Chance, kurzfristig dieses Embargo aufzuheben.«
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sagte, auch seine Fraktion lehne eine Aufhebung des Embargos gegen China derzeit ab. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Gert Weisskirchen, sagte, es gebe eine durchaus widersprüchliche Diskussion in den Ländern Europas.
CDU-Generalsekretär Volker Kauder erklärte, Schröder zeige mit seiner Ankündigung, dass das Parlament »ihm im Prinzip egal ist«. Der Kanzler nutze außerdem die »Schwäche« von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) aus, um seine Position durchzusetzen und brüskiere den Minister damit »in aller Öffentlichkeit«.
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle wertete Schröders Vorgehen in dieser Frage als »selbstherrlich« und nicht »staatsmännisch«. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt ergänzte, wenn der Bundeskanzler sich über das Votum des Bundestages hinwegsetzen wolle, müsse er immer noch sein Kabinett hinter sich bringen. »Da bin ich gespannt, wie Außenminister Joschka Fischer seinen erneuten Kurswechsel in der Menschenrechtsfrage begründen will.«
Der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Friedbert Pflüger (CDU), nannte eine mögliche Aufhebung des Waffen-Embargos einen »Persilschein» für China, «das Antirezessionsgesetz, das eigentlich ein Kriegsermächtigungsgesetz ist», anzuwenden. Mit dem Gesetz will das chinesische Regime eine rechtliche Grundlage schaffen, um auch mit kriegerischen Mitteln eine formelle Unabhängigkeit von Taiwan verhindern zu können.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warf Schröder eine »schockierende Schützenhilfe für die alltägliche Unmenschlichkeit des totalitären Regimes Chinas« vor. Zu behaupten, dort gebe es eine Entwicklung zu mehr Liberalität, sei eine »beschämende Verharmlosung von Massenhinrichtungen, willkürlichen Verhaftungen und hunderttausendfacher Einweisung in Arbeitslager«.
SPD-Chef Franz Müntefering bemühte sich um eine Entschärfung der Konfrontation. Schröder »nimmt das mit den Menschenrechten ganz ernst«, sagte Müntefering. Der Kanzler sei aber überzeugt davon, dass die europäische Gemeinschaft China ein Signal zu engeren Zusammenarbeit geben solle. Es gehe darum, »wie man Einfluss nehmen kann auf die, die in China das Sagen haben«. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 01.04.2005