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Finanzminister einigen
sich auf Kompromiss

Kosten der Einheit im Stabilitätspakt berücksichtigt

Brüssel (dpa). Mit einer neuen Formulierung zu den deutschen Einheitskosten haben die EU-Finanzminister den Streit um eine Reform des Stabilitätspaktes in einem zentralen Punkt entschärft.
Hans Eichel: flexible Vertragsauslegung.

Auf dem Sondertreffen gestern in Brüssel legte die luxemburgische Ratspräsidentschaft nach mehr als achtstündigen Verhandlungen einen Kompromiss auf den Tisch, der für Finanzminister Hans Eichel offensichtlich hinnehmbar ist. Die angebotene Formulierung sieht vor, dass die Ausgaben für die »Vereinigung Europas« bei der Beurteilung von »Defizitsündern« berücksichtigt werden.
Spekulationen, wonach sich die zwölf Euro-Finanzminister bereits verständigt hätten, widersprachen mehrere Diplomaten. Die Verhandlungen waren am späten Abend im Kreis aller 25 EU-Finanzminister fortgesetzt worden. Darin wurde das überarbeitete Kompromisspapier von EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker mit der neuen Formulierung beraten. Eichel hatte bis zuletzt darauf beharrt, dass die laufenden Kosten der deutschen Wiedervereinigung bei der Beurteilung der angespannten deutschen Haushaltslage berücksichtigt werden.
Dieser Umstand sollte nach dem Willen Berlins im neuen Stabilitätspakt »zweifelsfrei« formuliert sein. Die Kompromissformel sieht vor, das Kosten für die »Vereinigung Europas« berücksichtigt werden können, »wenn diese einen negativen Effekt auf das Wachstum und die Haushaltslasten eines Mitgliedstaates haben«. Diplomaten sagten, diese Formulierung habe für Deutschland ein »hohes Konsenspotenzial«. Damit werden auch die Lasten berücksichtigt, die die osteuropäischen EU-Neulinge beim Aufholprozess haben.
Die anderen Euro-Länder hatten die deutschen Sonderforderungen abgelehnt. Eichel hatte dagegen vor Beginn der Beratungen erklärt: »Das sind enorme Lasten, die wir zu tragen haben, und ich denke, das muss auch drinstehen.« Die West-Ost-Transfers machen etwa vier Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung aus und belaufen sich alljährlich auf schätzungsweise 80 Milliarden Euro. Eine weitere Forderung Berlins, wonach auch die Milliarden-Netto-Beiträge zum EU-Haushalt berücksichtigt werden sollen, war deutlich weniger umstritten. In Junckers Kompromisspapier waren bereits Kosten für »europäische Politikziele« erwähnt. Deutschland bricht seit 2002 den Stabilitätspakt.
Sollte keine Einigung gelingen, müssen die EU-Staats- und Regierungschef von Dienstag an auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel eine Lösung ausloten. Juncker hatte nach Kritik der Euro-Gruppe ein vor dem Sondertreffen vorgelegtes Kompromisspapier noch einmal überarbeitet. Schon zuvor hatte er eine ursprünglich erwogene Liste mit Ausnahmen wieder gestrichen, die eine Überschreitung der Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zulassen.
Als unstrittig galt, dass die Haushalte in wirtschaftlich guten Zeiten stärker saniert werden sollen als bisher. Auch sollen die Länder bei der Rückführung ihrer Defizite mehr Spielraum erhalten.

Artikel vom 21.03.2005