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Köhler mahnt:
Alle Kraft für mehr Arbeit

Bundespräsident fordert radikale Reform

Berlin (AP). Bundespräsident Horst Köhler hat Regierung und Opposition eindringlich zum gemeinsamen Handeln bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit aufgerufen.
»Es sind dicke Reformbretter, die wir bohren müssen«, sagte er gestern in Berlin in einer Grundsatzrede. Das Staatsoberhaupt forderte zwei Tage vor dem Job-Gipfel radikale Reformen für die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Für die fatale Entwicklung am Arbeitsmarkt und die Staatsverschuldung machte Köhler Politik, Gewerkschaften, Unternehmen, Sozialverbände und Bürger gleichermaßen haftbar.
Tarifpartner hätten Verträge zu Lasten Dritter abgeschlossen. Köhler begrüßte den für morgen geplanten Job-Gipfel von Bundeskanzler Gerhard Schröder und den Unionsspitzen. »Aktionismus hilft nicht.« Gefragt seien nachhaltige Maßnahmen. Die Runde müsse auch über die Erneuerung von Wirtschaft und Gesellschaft reden. »Regierung und Opposition stehen in patriotischer Verantwortung.«
Auf weitgehende Ablehnung stieß ein Vorschlag mehrerer Politiker, Köhler als Moderator zum Job-Gipfel einzuladen.
Der Bundespräsident appellierte: »Was der Schaffung und Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze dient, muss getan werden. Was dem entgegensteht, muss unterlassen werden.« Alle anderen politischen Ziele müssten Nachrang haben, auch wenn sie noch so wünschenswert seien. Schröders Agenda sei ein guter Anfang. »Wir müssen ehrlich sagen, dass wir es damit noch nicht geschafft haben.«
Opposition und Regierung zollten Köhler für seine Grundsatzrede weitgehend Respekt. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wertete seine Rede als Bestätigung für den Unionskurs. Das Staatsoberhaupt habe eine »große Rede« gehalten, sagte Merkel. CSU-Chef Edmund Stoiber forderte die Bundesregierung auf, Konsequenzen aus der Grundsatzrede für den Job-Gipfel zu ziehen.
Einzelnen Kritikern war der Bundespräsident tagespolitischer, als es sein Amt erlaube. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt nannte die Köhler-Rede »interessant«. DGB-Chef Michael Sommer ging auf Distanz und nannte die Rede »schlichtweg einen politischen Fauxpas« (Fehltritt), da Köhler bei seiner Beschreibung der Lage kein Wort zur Mitbestimmung oder über Betriebsräte verloren habe.
IG-Metall-Chef Jürgen Peters sagte: »Diese Rede beinhaltet keine konstruktiven Reformvorschläge, sondern ist eine Ansammlung wirtschaftsliberaler Glaubenssätze.« Für die Globalisierungsgegner von »Attac« erklärte Detlev von Larcher: »Schon in der Vergangenheit sind durch Unternehmenssteuersenkungen weder Arbeitsplätze noch Investitionen gestiegen.« Trotzdem setze der Bundespräsident »auf eine noch höhere Dosis der falschen Medizin.«
Themen der Zeit: Kommentar und Redeauszüge

Artikel vom 16.03.2005