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Nach Job-Gipfel erneut im Clinch

Streit um Finanzierungsvorschläge zur Unternehmenssteuerreform

Berlin (AP/dpa). Einen Tag nach der Grundsatzeinigung über ein gemeinsames Vorgehen gegen die Massenarbeitslosigkeit ist Streit zwischen Regierung und Opposition entbrannt.
Die Unionsspitze hielt Rot-Grün am Freitag vor, kein durchgerechnetes Konzept zur Finanzierung der geplanten Steuersenkungen für Unternehmen vorgelegt zu haben. Nach Darstellung der Regierung geht der Vorwurf ins Leere, da Bundeskanzler Gerhard Schröder sehr wohl Ideen auf dem Job-Gipfel präsentiert habe.
Er forderte die Union auf, selbst Vorschläge zu machen. In einem Spitzengespräch hatten sich Schröder sowie die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) am Donnerstag darauf verständigt, über Steuernachlässe für Betriebe und Korrekturen an der Arbeitsmarktreform zu verhandeln. Nach den Worten Schröders sollen die Maßnahmen »kostenneutral« bewältigt werden, damit der Staat kein Geld einbüßt. Die angestrebten Steuersenkungen - vor allem für Konzerne - kosten sechs Milliarden Euro. Die Eckpunkte des rot-grünen Finanzierungskonzepts sind bekannt, nicht aber Details.
Schröder hatte die Union ermuntert, Gegenvorschläge zu liefern, wenn sie seine Vorhaben ablehne. Merkel riet, »das Wenige, was verabredet wurde, nicht durch solche Äußerungen in Gefahr zu bringen«. Es habe Ansätze zur Kooperation gegeben. Es sei klar vereinbart worden, das Paket nicht mittels Krediten zu bezahlen. Finanzminister Hans Eichel müsse die Regierungspläne »in eine überschaubare, überblickbare Form« bringen, die dann ein Landesfinanzminister der Union prüfe. Bisher lägen nur grobe Eckdaten vor, klagte auch Stoiber. Der CSU-Chef griff Schröder scharf an: »Wenn er jetzt sagt, die Opposition soll Vorschläge unterbreiten, dann kann ich nur sagen: Das war nicht Gegenstand des Gesprächs.« Schröder sei am Zug.
Zur Gegenfinanzierung will die Regierung Steuerschlupflöcher schließen, Subventionen abbauen, die Verlustverrechnung begrenzen sowie die Dividenden- und die Mindestgewinnbesteuerung verschärfen. Zudem setzt sie nach Angaben von Eichels Sprecher Stefan Giffeler auf Selbstfinanzierungseffekte durch höhere Investitionen in Folge einer Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent. Das Konzept sei seriös durchgerechnet.
»Spitze Zahlen« werde Eichel erst in den Gesprächen mit Kollegen von SPD und Union vorlegen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) warnte die Union, die Einigung über Steuersenkungen zu zerreden. Bei einer Umsetzung der beschlossenen Reformschritte werde die Investitionskraft gerade des Mittelstandes verbessert.
Die Spitzen der Regierungskoalition und der Union haben nach dem Job-Gipfel kein neues Treffen vereinbart. Sie wollen aber in Arbeitsgruppen mögliche Reformen ausloten. So soll eine Arbeitsgruppe unter Wolfgang Clement (SPD) und dem Unions-Experten Karl-Josef Laumann (CDU) eine verbesserte Regelung für Hinzuverdienste von Arbeitslosengeld-II-Empfängern finden.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, hat sich für weitere Job-Gipfel ausgesprochen. Das Spitzentreffen habe keinen Durchbruch für Wachstum und Beschäftigung gebracht. Mehr als ein Anfang sei nicht gemacht.
Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine bewertete die Ergebnisse des Job- Gipfels als »lächerlich«. Die Wirtschaft habe schon auf frühere Steuersenkungen nicht mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze reagiert. Lafontaine hat mit seinem Parteiaustritt gedroht, falls Hartz IV nicht zurückgenommen wird: »Dieses Gesetz muss aufgehoben werden. Wenn das nicht nach der Wahl in NRW sichtbar wird, wenn die SPD sich nicht davon löst, kann ich dieser Partei nicht länger angehören.«

Artikel vom 19.03.2005