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»Lehrer nicht allein lassen«

Schulministerin stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn (WB). Die nordrhein-westfälische Schulministerin Ute Schäfer (SPD) aus dem lippischen Lage hat im Fall des Paderborner Schulboykotts Äußerungen der Geschäftsführerin des Vereins »Schulunterricht zu Hause« (Schzh), Ingrid Guenther, als »völlig unangemessen« bezeichnet.

Nach Angaben des Schulministeriums liege aber keine Beleidigung von Lehrkräften vor. Die Äußerungen würden sich noch im Rahmen des Rechts der freien Meinungsäußerung bewegen.
Der Verein, der im hessischen Dreieich ansässig ist, vertritt sieben strenggläubige baptistische Elternpaare aus dem Kreis Paderborn, die ihre Kinder aus religiösen Gründen seit Monaten nicht zur Schule schicken, sondern zu Hause unterrichten. Die Familien stammen aus Kasachstan.
Im Gespräch mit dieser Zeitung hatte Guenther unter anderen erklärt: »Die Kinder nehmen seelischen Schaden durch die gegensätzliche Erziehung insbesondere im Bereich der Sexualität, wenn sie in der Schule der aggressiven, emanzipatorischen Sexualerziehung ausgesetzt sind.«
Diese Äußerungen erfüllen nach Angaben der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) den Tatbestand der Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede. Das habe die rechtliche Prüfung einer Anwaltskanzlei ergeben. Da die Schulministerin bisher nicht reagiert habe, sei auf Beschluss des Vorstandes vom Landesvorsitzenden Udo Beckmann Strafanzeige erstattet worden.
Stellvertretend für die NRW-Lehrerschaft habe Beckmann als Lehrer und VBE-Vorsitzender persönliche Anzeige erstattet, da er sich als Lehrer beleidigt fühle. Es sei ein Skandal und zugleich ein Armutszeugnis für das staatliche Schulwesen, dass die Schulaufsicht und das Ministerium diese öffentlichen Beleidigungen von Lehrkräften und die Denunzierung deren richtlinien- und lehrplangemäßen Handelns unwidersprochen zulasse, statt sich vor die Lehrerschaft zu stellen und Strafanzeige zu erstatten.

Artikel vom 15.03.2005