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Acht Jahre
Haft gefordert

Frau verstümmelte ihren Freund

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Als »rücksichtslos, grausam und berechnend« hat Oberstaatsanwalt Rainer Kahnert die Frau bezeichnet, die durch die vorsätzlich inszenierte Invalidität ihres Freundes einen perfiden Versicherungsbetrug beging.

Die 39-jährige Näherin Birgit K. soll ihre Taten daher mit acht Jahren Haft wegen dreifachen Betruges und schwerer Körperverletzung büßen. Das hat Kahnert gestern vor dem Landgericht Bielefeld gefordert. Ihre Komplizen Christiane G. (46) und Gerhard J. (46) sollen drei Jahre Freiheitsstrafe absitzen. Allein der verkrüppelte Heinrich J. (55) soll mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe die Haft erspart bleiben. Die Verteidiger forderten gestern milde Strafen. Das Urteil wird am kommenden Montag verkündet.
Zutaten »wie für einen guten und einen schlechten Roman« sah Kahnert in dem Beziehungsgeflecht, in dem die schier unbeschreibliche Idee zu einem Versicherungsbetrug entstand: »Liebe und Hass, Nähe und Hörigkeit, Vertrauen und Eifersucht sowie Unterwerfung und Ausbeutung«, zählte der Oberstaatsanwalt in einem Plädoyer auf. In einer miserablen wirtschaftlichen Situation waren die Näherin aus Schloß Holte-Stukenbrock und der Landschaftsgärtner Heinrich J. aus Bielefeld auf folgenden Ausweg gekommen: Nach Abschluss von zwei Lebensversicherungen - die Zahlungen bei Invalidität beinhalteten - wollte sich J. auf Drängen der Freundin verstümmeln lassen, um das Geld zu kassieren.
Ursprüngliche Pläne sahen blutige Szenarien vor: Mal sollte ein Bein von einem Zug, mal ein Fuß mit einer Kettensäge abgetrennt werden. Schließlich verfiel das Duo auf den Plan, Heinrich J. mit einem Auto zu überfahren.
Nach einem ersten gestellten Unfall im Februar 2001 schien das gebrochene Bein der Versicherung noch »reparabel«, also wurde der Landschaftsgärtner zwei Monate später erneut überrollt. Beihilfe dazu leistete der Bielefelder Gerhard J. Seither geht Heinrich J. an Krücken, die Beweglichkeit und Funktion seiner Gelenke ist nach Ansicht von Ärzten »eingeschränkt«. Das Geld - immerhin 814 000 Euro - kassierten vornehmlich Birgit K. und ihre Geliebte Christiane G., die sich damit zur Beihilfe zum Betrug und zur Geldwäsche schuldig machte, sagte Rainer Kahnert. Die Frauen hätten Schmuck und ein Auto gekauft, hätten Reisen unternommen. Leidtragender allein sei Heinrich J. als »der betrogene Betrüger«: »Er wird das Knacken seiner Knochen bis ans Lebensende im Ohr haben«.

Artikel vom 08.03.2005