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Ein Kabeljau versinkt im
Meer aus blauen Schals

Rüttgers und Merkel stimmen auf harte Zeiten ein - alle jubeln

Von Reinhard Brockmann
Bochum (WB). Blaue Schals, Polit-Samba, ein strahlender Landeschef und dazu Verse von Heinz Erhardt »Das Meer ist blau É ein Kabeljau«: Der CDU-Landesparteitag in der Bochumer Jahrhunderthalle war ein großes Fest.

»Gut drauf und geschlossen wie nie« sei diese Partei, lobte Jürgen Rüttgers, dem einige hundert Mitglieder aus den 2800 Personen starken NRW-Win-Teams auf der Bühne den Rücken stärkten. »Euphorie ist das Falscheste, das wir uns leisten können« trat Rütgers die Bremse. Wie schnell sich die Stimmung drehen kann, habe SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück zu spüren bekommen. Angesichts bester CDU/FDP-Umfragen suche der Norddeutsche inzwischen hilflos nach dem, was er noch zu bieten habe: »Rüttgers ist Rheinländer und ich bin ein Kabeljau«, hatte Steinbrück am Donnerstag erklärt. Ganz im Sinne rheinischen Frohsinns erwiderte Rüttgers mit Heinz Erhardt:
»Da kommt ein Hai von ungefähr, ich glaub von links, ich weiß nicht mehr, verschluckt den Fisch mit Haut und Haar, das ist zwar traurig, aber wahr.«
Der Saal tobte und der Hai, die Rolle war klar, legte nach: »Das Meer ist weit, das Meer ist blau, im Wasser schwimmt kein Kabeljau.«
Dann war Schluss mit lustig und Rüttgers zog virtuos alle Register - von der scharfen Attacke auf Joschka Fischer bis zum Sinnieren über die allgemeine Vertrauenskrise in der Politik. Selbstkritisch und selbstgewiss ist er, wenn von eigenen Versäunissen und dann wieder von brechend vollen Sälen mit 500, 800 mitunter 2000 Zuhörern im einsetzenden Wahlkampf die Rede ist. Falsche Illusionen lässt er gar nicht erst aufkommen, wenn Rüttgers die Arbeitszeit rauf und den Kündigungschutz runter setzen will, der Kohleförderung mitten im Pütt das Ende voraussagt und Menschen über Hamster und andere grüne Lieblingstiere stellt. Sein Hinweis auf viel zu viel Personal im Umweltministerium kommt fast der Ankündigung von Massenentlassungen gleich. Manche Rot-Grüne werden zu finsteren Jobkillern erklärt.
»Freiheit statt Bürokratie« - ein Slogan aus der Zukunftswerkstatt, mit dem die Union angreift. 40 Prozent der Arbeitszeit in der Pflege gehe für Verwaltung drauf, sagt Rüttgers. Das hat ihm Angelika Gemkow aus Bielefeld mit auf den Weg ans Rednerpult gegeben. Der Überregulierung, zu der »wir auch beigetragen haben«, will der Ministerpräsident in spe den Garaus machen. Erstens weil zu viel einfach zu viel ist, aber auch weil das Geld für weitere Modellversuche fehlt. Schließlich ist nach Rüttgers Vorstellung genau das die Politik, die nichts kostet, aber sofort umgesetzt werden kann.
Voll auf diese Linie schwenkt auch Parteichefin Angelika Merkel ein. Rot-Grün in Düsseldorf wird zum Abschuss freigegeben, Rot-Grün in Berlin noch geschont. Gerhard Schröder bietet sie erneut die Zusammenarbeit an.
»Wir können und wollen es nicht hinnehmen, dass jeden Tag aus Deutschland 1000 Arbeitsplätze abwandern.« Immer wieder betont sie: »Man muss Prioritäten setzen.« Da wird die Handschrift einer Frau deutlich, die erste deutsche Kanzlerin werden will.
Als Vorbild für betriebliche Bündnisse lobt sie den Erhalt der Arbeitsplätze bei Opel in Bochum, »weil die Menschen etwas für ihren Arbeitsplatz getan haben«. Sie macht sich erneut stark für die CDU-Gesundheitsprämie, um die Sozialkosten stärker vom Lohn zu entkoppeln. Und dann verleiht sie Rüttgers' Wunschkandidat für den Posten des Arbeits- und Sozialministers schon die höheren Weihen: »Karl-Josef Laumann gehört zu denen, die wissen, wie Arbeitsplätze entstehen.«

Artikel vom 07.03.2005