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Sammer sucht
»Lautsprecher«

VfB Stuttgart steht am Scheideweg

Von Werner Jöstingmeyer
Stuttgart (WB). Der VfB steht am Scheideweg. »Hopp oder top«, lautete vor allem die Frage vor der Heimpartie gegenArminia Bielefeld. Nach dem wenig schmeichelhaften 1:1 bei Bayer 04 Leverkusen waren die Schwaben nicht nur auf den 6. Tabellenplatz abgerutscht, sondern hatten auch erneut viel Kredit bei ihren Fans verspielt.
Luftduell: Owomoyela und der Stuttgarter Kuranyi.
Trainer Matthias Sammer plumpste denn auch ein dicker Stein vom Herzen, als Schiri Lutz Wagner abpfiff. 2:1 hatte der VfB den Aufsteiger besiegt und das Punktekonto auf 42 Zähler erhöht. Für die erneut schwache Vorstellung seiner Elf entschuldigte sich Sammer, indem er auf die Stärke der letzten Gegner hinwies. »Wir haben gegen Berlin und Bielefeld gewonnen, und gegen Leverkusen nicht verloren. Alle drei Teams hatten vorher die besten Serien aufzuweisen.«
Dennoch ist der ehemalige Nationalspieler im »Schwabenländle« in die Kritik geraten. Nach einem glänzenden Saisonauftakt mit 20 Punkten aus acht Spielen lief's plötzlich nicht mehr rund. Durch die drei sieglosen Partien in Folge gegen Nürnberg (2:4), Kaiserslautern (1:1) und in Hamburg (1:2) rutschte der VfB ab, so dass seitdem Verein und Fans um die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb fürchten. »Es wird immer schwieriger zu Hause zu spielen, weil die Erwartungshaltung so groß ist«, gab Sammer zu.
Nach dem 1:1 in Leverkusen platzte auch noch Publikumsliebling Timo Hildebrand der Kragen. »Es fehlt momentan der Wille und die Mentalität. Wir reißen uns zu wenig den Hintern auf. Das ist nicht der VfB, den ich kenne«, übte der Schlussmann öffentliche Kritik. Während einige Kollegen wenig Verständnis für die verbalen Attacken zeigten, nahm Sammer dem Torwart die Kritik nicht übel. »Wer etwas sagt, der will etwas bewegen«, erklärte der Trainer, stellte aber auch fest: »In diesen Dingen müssen wir erst noch erwachsen werden.«
Insgeheim wünscht sich Sammer mehrere Hildebrands, die mannschaftsintern Tacheles reden. Und er forderte in erster Linie neben den fünf Profis des Mannschaftsrates, Babbel, Meira, Soldo, Meißner und Hildebrand, auch die bisherigen »Leisetreter« Hleb und Kuranyi auf, das Team durch konstruktive Kritik nach vorn zu bringen. Allerdings hatte der VfB-Coach längst erkannt. »Hleb und Kuranyi müssen in die Rolle erst noch hineinwachsen.«
Mit der Verpflichtung von Matthias Sammer, der 1992 den VfB Stuttgart als Spieler zum letzten deutschen Meistertitel führte, wuchs rund um das Gottlieb-Daimler-Stadion auch die Erwartungshaltung.
Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen derzeit erhebliche Lücken. »Wir sind längst nicht da, wo wir eigentlich hinwollen«, gab auch »Allzweckwaffe« Silvio Meißner zu.
Der derzeit verletzte Philipp Lahm wird den VfB Stuttgart am Saisonende verlassen und zu Bayern München zurückkehren. Den Ersatzmann sucht Sportmanager Herbert Briem bei Aston Villa. Nationalspieler Thomas Hitzlsperger steht auf der Wunschliste ganz oben. Nach der »Aufbruchstimmung« unter der Regie von Felix Magath ist der Verein zum Erfolg verdammt. Mit der Auswechslung des arg ramponierten Rasens in der WM-Arena am heutigen Montag sind die Probleme des VfB noch nicht gelöst.

Artikel vom 07.03.2005