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Leibwächter tötet Schleuser-Boss

16 000 Osteuropäer in den Westen gebracht - Wusste Opfer zu viel?

Von Christian Althoff
Rheda-Wiedenbrück (WB). Ein Russlanddeutscher aus Oelde, der als Kopf einer Schleuserbande 16 000 Ukrainer illegal nach Westeuropa geholt haben soll, ist von seinem Leibwächter getötet worden.

Nikolaj B. (45) betrieb mehrere Schein-Reisebüros in Minden und Warendorf. Mit der Behauptung, er organisiere Gruppenrundreisen für Ukrainer, verschaffte er Osteuropäern bei deutschen Behörden Visa für die Einreise in die Bundesrepublik. Die Ukrainer fuhren jedoch weiter nach Italien, Spanien und Portugal, wo sich viele als Schwarzarbeiter anboten.
Wegen dieser Schleusertätigkeit sollte sich Nikolaj B. am November 2004 vor dem Landgericht Münster verantworten. Wenige Tage vor dem Prozess suchte er am 2. November um 20 Uhr den Bielefelder Strafverteidiger Dr. Detlev Binder in dessen Kanzlei auf und kündigte an, er werde ihm am nächsten Tag »neue Beweise« übergeben, mit denen möglicherweise weitere Schleuser belastet worden wären. Binder: »Obwohl der Mann einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, ist er a nicht wieder erschienen.« Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass Nikolaj B. Stunden nach seinem Besuch in der Kanzlei erschossen worden ist.
»Er wurde seit damals vermisst und wir nahmen an, er habe sich vor seinem Prozess ins Ausland abgesetzt«, sagte gestern Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer aus Münster. Doch vor wenigen Tagen erhielt die Polizei den anonymen Hinweis, man solle sich doch einmal mit dem Leibwächter des Vermissten befassen.
Tatsächlich hatte Nikolay B. einen in Rheda-Wiedenbrück lebenden früheren Rotarmisten (45) als Leibwächter angeheuert. Im Verhör gab dieser Mann schließlich zu, Nikolaj B. am 3. November erschossen und an der A 2 bei Beckum verscharrt zu haben. Als Motiv gab er an, Nikolay B. habe 700 000 Euro Schulden bei Leuten gehabt, »mit denen nicht zu spaßen ist«. Diese hätten ihn unter Druck gesetzt, den säumigen Schuldner zu töten.
Ob die Schulden tatsächlich das Motiv waren oder ob der Schleuserbandenboss sterben musste, weil er zuviel wusste - das untersucht jetzt die Mordkommission.

Artikel vom 25.02.2005