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Rechnet mit baldiger höchstrichterlicher Entscheidung: Jusuf Kartal.

Dem Staat droht der Verlust
des Sportwettenmonopols

Bielefelder Anwalt erwartet Grundsatzentscheidung

Von Jens Heinze (Text und Foto)
Bielefeld (WB). 21 private Wettbüros gibt es in der Großstadt - nach Meinung der Stadt sind sie alle illegal, weil die notwendige Erlaubnis nach dem Sportwettengesetz NRW fehlt. Doch das könnte sich bald ändern. Der Bielefelder Rechtsanwalt Jusuf Kartal (33) geht davon aus, dass im Frühjahr das Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung in puncto Legalität oder Illegalität privater Wettvermittler treffen wird.

Kartal vertritt eigenen Angaben zufolge 14 von 21 hiesigen Wettbüros beim Rechtsstreit mit der Stadtverwaltung. Bundesweit, so sagt der Jurist, habe er weit mehr als 100 Mandanten aus Wettvermittlerkreisen. Insgesamt streite nicht nur die Stadt Bielefeld mit den 21 örtlichen Büros darüber, ob sie Sportwetten von Veranstaltern mit Sitz in Österreich, Malta oder Großbritannien vermitteln dürften oder mangels staatlicher Erlaubnis schließen müssten. »Bei den Verwaltungsgerichten in ganz Deutschland sind weit mehr als 1000 Verfahren in dieser Frage anhängig«, so der Anwalt.
In den nächsten zwei bis drei Monaten, erklärt Kartal, rechne er mit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Bei dieser obersten Instanz lägen zur Zeit mehrere Eilverfahren zur Frage der Zulässigkeit der Vermittlung von Sportwetten aus dem europäischen Ausland vor. Obwohl der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichtes nur pauschal für dieses Jahr seine Entscheidung angekündigt habe, ohne sich auf einen Monat festzulegen, habe der aktuelle Schiedsrichterskandal um Robert Hoyzer und Hintermänner den juristischen Prozess beschleunigt. »Mit großer Wahrscheinlichkeit«, sagt Rechtsanwalt Kartal, gehe er davon aus, dass den Verfassungsbeschwerden der privaten Wettbüros stattgegeben werde: »Der Wettvermittler kann sich auf die europarechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit berufen.«
Träte dieser Fall ein, dann würde der Staat sein Wettmonopol verlieren. Nicht mehr nur das zum deutschen Toto- und Lotto-Block gehörende Sportwettensystem Oddset, sondern auch private Vermittler könnten in Bielefeld und anderswo ganz legal Wetten anbieten. Und die Geldquelle »staatliche Lotterie« - im Jahr 2003 flossen dem NRW-Landeshaushalt knapp 28 Millionen Euro aus Oddset-Geldern zu - würde weniger kräftig sprudeln als bislang.
Dass eine Freigabe des Sportwettenmarktes die Zahl privater Wettbüros in Bielefeld noch weiter ansteigen lassen würde - ihre Zahl hat sich seit 2002 mehr als verzehnfacht -, hält Kartal für wenig wahrscheinlich. »Der Kuchen wird doch nicht größer«, meint der Experte. Zudem würden mit dem Wegfall des staatlichen Wettmonopols endlich »feste Regeln für alle« aufgestellt. Damit seien Fälle wie der des Bielefelders Nebosja Aligrudic, dem ein hiesiges Wettbüro knapp 10 000 Euro Gewinn schuldig blieb (WESTFALEN-BLATT-Bericht vom 15. Februar), ausgeschlossen. Doch dieses Geschehen, erklärt Rechtsanwalt Kartal, sei ihm der einzig bekannte Fall, bei dem nicht gezahlt worden war.

Artikel vom 23.02.2005