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Lemgoerin ist die neue starke Frau bei RTL

Vox-Chefin Anke Schäferkordt rückt auf - Marc Conrad räumt Chefsessel für Gerhard Zeiler

Köln/Lemgo (dpa/WB). Er sollte RTL langfristig auf Vordermann bringen. Nun wurde sein Gastspiel beim Kölner Privatsender nach kaum mehr als 100 Tagen jäh beendet. Marc Conrad (44), seit 1. November Geschäftsführer des umsatzstärksten europäischen TV-Kanals, muss seinen Hut nehmen.

Sein Vorgänger Gerhard Zeiler (49), Chef der übergeordneten RTL-Gruppe, übernimmt Conrads Job und setzt als seine Stellvertreterin die neue starke Frau in der Senderfamilie ein: Anke Schäferkordt, seit 1999 Geschäftsführerin von Vox. Die 42-Jährige stammt aus Lemgo und hat in Paderborn Betriebswirtschaft studiert. Von 1988 bis 1991 absolvierte sie das kaufmännische Führungsnachwuchsprogramm bei der Bertelsmann AG. Der Gütersloher Medienkonzern ist Haupteigentümer der RTL-Senderfamilie.
Der Managerin werden laut RTL künftig die Direktionen Finanzen, Technik, Information und Medienpolitik, das Generalsekretariat, die Vermarktungsorganisation IP sowie die Vox- Geschäftsführung unterstehen. Weiter soll sie für die Beteiligungen der RTL Group an den Sendern n-tv und Super RTL verantwortlich sein. Schäferkordt hat dem einstigen Problemkind Vox mit einem geschickten Mix aus US-Lizenzware und Eigenproduktionen Profil verliehen und den Sender unaufhaltsam in die Gewinnzone geführt.
Marc Conrad soll fortan wieder als Film- und TV-Produzent mit seiner typhoon networks ag tätig sein und für RTL die Serie »Abschnitt 40« und die Comedy »Freitag Nacht News« produzieren. Über die Hintergründe seines Ausscheidens wird nur hinter den Kulissen spekuliert. Der Druck sei aus der nervösen werbetreibenden Industrie gekommen, hieß es aus gut informierten Kreisen. In einem Interview - dem ersten seit seinem Amtsantritt - hatte Conrad diese Woche Programminnovationen erst für das kommende Jahr angekündigt. Zu spät, zu schwammig, wurde kritisiert. Aus Sicht der Gesellschafter war er den hohen Anforderungen wohl nicht gewachsen.
Dass Zeiler wieder die Gesamtkontrolle über die Gruppe und den Sender erhält, könnte eine andere Entwicklung nach vorne bringen: Die RTL-Gruppe soll an der Übernahme von Tele München, derzeit im Besitz des Gründers Herbert Kloiber, interessiert sein. Mit dem Besitz von Tele München hätte sich RTL nicht nur die Rechte an einem großen Time-Warner-Filmpaket gesichert, sondern endlich auch die Mehrheit am kleinen Bruder RTL II - vorausgesetzt, Tele-München-Partner Disney lenkt ein. Dann wäre die RTL-Familie komplett in einer Hand.

Artikel vom 18.02.2005