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Leitartikel
Venezuela unter Chavez

Kubanisierung
mit Folgen
für Europa


Von Jürgen Liminski
Zwei Dinge weiß man über Venezuela: Dort gibt es viel Öl und guten Rum. Und das genügt den meisten Außenpolitikern. Wenn dann noch irgendwie Wahlen abgehalten werden, das Land ordentlich aus Europa importiert, seine Schulden bezahlt und die Lage auch ansonsten stabil erscheint, dann bleiben im Kurzzeitgedächtnis nur noch Fass und Flasche. Ein verhängnisvoller Irrtum. In Venezuela braut sich eine Krise zusammen, die über kurz oder lang auch die Märkte in Europa in Mitleidenschaft ziehen dürfte.
Der neue alte Präsident Hugo Chavez hat einen Masterplan. Er eifert seinem Idol Fidel Castro nach und will das Land in eine kommunistische Diktatur verwandeln, die sich im Namen der Befreiung auf die gesamte Region erstreckt, also auch Kolumbien, Peru und Bolivien umfasst und sich über die neuen Linksregierungen in Brasilien und Argentinien de facto über den ganzen Subkontinent erstreckt. Das mag vermessen erscheinen. Aber Chavez hat Geld, viel Geld. Allein im vergangenen Jahr hat Venezuela für 24 Milliarden Dollar Öl nach Nordamerika exportiert, die Tagesproduktion beläuft sich auf drei Millionen Barrel, das sind fast so viel wie in Saudi-Arabien. Der staatliche Ölkonzern Citgo verfügt über 14000 Tankstellen in den USA und ist der zweitgrößte Zulieferer in den Vereinigten Staaten.
Auch das Muster für die »bolivianische Revolution« ist bekannt. Man sichert zunächst die Grundbedürfnisse der Bevölkerung - Ernährung, Gesundheit, Bildung - schränkt sodann die Freiheiten ein und exportiert schließlich von einer soliden Diktatur aus die Revolution. So geschieht es: Chavez kauft das Volk mit zinslosen Krediten für Autos, Möbel, Konsumgüter; Kubanische Experten, vor allem medizinisches Personal, verteilen in Ambulanzstationen Medikamente und fangen jetzt auch damit an, das Bildungspersonal zu indoktrinieren, mehr als tausend venezolanische Lehrer haben bereits Kurse auf Kuba absolviert. Ein nächster Schritt könnte das Abwürgen oder Konfiszieren der katholischen Schulen sein.
Die einzige Opposition sind Teile der Presse und die katholische Kirche. Ihre Glaubwürdigkeit ist dem Regime ein Dorn im Auge. Führende Bischöfe werden abgehört und beschattet.
Der Export der Revolution geschieht über die bereits vorhandene Guerilla-Infrastruktur in Kolumbien. Als die von den USA im Krieg gegen Terroristen und Drogenmafia unterstützte kolumbianische Regierung jüngst einen Guerrilla-Führer aus Venezuela entführen ließ, kam es zur diplomatischen Krise. Es wurde ruchbar, dass Venezuela den Drogenterroristen als sicheres Hinterland dient und von dort aus Operationen plant und durchführt. Washington hält sich zurück - noch. Aber die Verbindung Petrodollar-Drogen-Terror-Ideologie hat aufhorchen lassen. Sie enthält viel Sprengkraft für die Ölmärkte, mithin für den Ölpreis. Das zwingt zur Vorsicht. Wegschauen aber ist keine Lösung.

Artikel vom 14.02.2005