12.02.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Leitartikel
Nach der Dresden-Woche

Selbst über Opfer wird
gerichtet


Von Rolf Dressler
Gegenwart ist von Natur aus allgegenwärtig. Der Mensch erlebt, erträgt, erleidet, verinnerlicht sie. Und wem es vergönnt und gegeben ist - auch das soll es ja geben ...-, der erfreut sich bisweilen sogar an ihr.
Gegenwart und Vergangenheit begegneten einander in dieser zweiten Februar-Woche 2005, in der sich Erinnerung und Gedanken an jenes Grauen zum 60. Male jährten, von dem es keine dokumentarischen Filmbilder gibt.
Die Hölle von Dresden am 13. und 14. Februar 1945 aber lässt sich mit hilflosen Begriffshülsen wie »Drama« oder selbst »Tragödie« nur verzweifelt unzulänglich beschrieben. Denn der infernalische Bomben-Terror der gegen Hitler verschworenen alliierten Militärmächte sprengte mit voller Absicht jedes Maß.
Der US- Amerikaner Roosevelt und der Brite Churchill, flankiert und befeuert von dem finsteren Sowjet-Tyrannen Stalin, zielten nur auf eines: Dresden, das großartige Elbflorenz, sollte ausradiert werden - mitsamt seiner schutzlosen, völlig wehrlosen Zivilbevölkerung.
Und das noch zudem zu einem Zeitpunkt, als der Zweite Weltkrieg für den größenwahnsinnigen Diktator Adolf Hitler und dessen tapfere, aber total erschöpfte und buchstäblich verheizte Soldaten bereits rettungslos verloren war.
Heute, sechs Jahrzehnte danach, hören wir, die noch Lebenden der Weltkriegsgeneration und die Nachgeborenen, immer wieder auch britische oder amerikanische Bomberpiloten, teils beinahe trotzig sagen, sie hätten doch auch im Horrorfall Dresden nur ihren »Job gemacht«, soll heißen: auf höheren Befehl ihrer politischen Führer machen müssen.
Man stelle sich vor, deutsche Weltkriegssoldaten würden dasselbe mit gleichen Worten für sich in Anspruch nehmen: Sie hätten unter Zwang doch nur ihren Job gemacht! Ein Sturm selbstgerechter Berufsentrüster bräche los.
Wohlgemerkt: Der Terror-Bombenteppich von Dresden vom 13./14. Februar 1945 galt nicht einem einzigen militärstrategisch wichtigen Zielobjekt. Deshalb ist dieser barbarische Akt unauslöschlich eines der abscheulichsten Völkerrechtsgroßverbrechen der Menschheitsgeschichte. Noch zusätzlich tief traurig stimmt das unwürdige Rechthaber-Gezerre um die Zahl der Menschen, die unter den Trümmern Dresdens elendig starben oder in dem unbeschreiblichen Feuersturm buchstäblich zu Staub verglühten. Fast scheint es, als wollten bestimmte Interessenten die Zahl der Opfer immer noch weiter herunterrechnen, je weiter die Jahre fortschreiten. 250000 Bombenterror-Tote waren und sind sehr wohl denkbar. Dessen ungeachtet aber kursiert neuerdings nun auch schon die höchst unwahrscheinliche bisherige Niedrig-»Rekord«-Zahl von angeblich allenfalls 25000.
In anderen Zusammenhängen tönt es sogleich, man dürfe »die Opfer nicht beleidigen«. Nichts dergleichen aber regt sich hier.
Opfer und Opfer - das ist vor der Geschichte offenbar nicht dasselbe. Schon gar nicht in deutschem Zusammenhang.

Artikel vom 12.02.2005