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Über neues Tarifrecht geeinigt

Öffentlicher Dienst: Kompromiss bei Arbeitszeit -ÊLänder bleiben ablehnend

Potsdam (dpa). Die knapp 2,3 Millionen Arbeiter und Angestellte von Bund und Kommunen erhalten ein neues, entschlacktes Tarifsystem mit weit reichenden Regelungen für eine leistungsbezogene Bezahlung.

Die Arbeitszeiten werden flexibler, die Gehälter in Ost und West weiter angeglichen. Nach dreitägigen harten Verhandlungen einigten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber gestern in Potsdam auf die grundlegende Reform, die das bisherigen Tarifrecht mit seinen 17 000 Eingruppierungsmerkmalen auf 100 zusammenstreicht.
Die Arbeitszeiten werden beim Bund im Westen um eine halbe Stunde angehoben, im Osten sinken sie um eine Stunde. Bei den Kommunen bleiben die Arbeitszeiten grundsätzlich gleich - allerdings besteht die Möglichkeit, auch im Westen regional auf bis zu 40 Stunden zu gehen.
Die Verhandlungsführer beider Seiten sprachen von einem »sehr positiven Ergebnis«. Die Länder machten jedoch unmittelbar nach Bekanntgabe des Abschlusses deutlich, dass sie das neue Regelwerk so nicht übernehmen wollen. Sie haben nach wie vor Vorbehalte gegen die Arbeitszeitverlängerung und die Regelung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld. Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Hartmut Möllring (CDU), sagte, der Abschluss wäre für die Länder nicht finanzierbar, man sei aber »weiterhin jederzeit« verhandlungsbereit.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, hatten die Länder zuvor indirekt aufgerufen, den Kompromiss zu übernehmen. Der neue Tarifvertrag tritt zum 1. Oktober 2005 in Kraft und soll für 35 Monate gelten. Dies ist - von einer Ausnahme abgesehen - die längste Laufzeit eines Tarifvertrages in der Nachkriegszeit.
In den Jahren 2005, 2006 und 2007 erhalten die Beschäftigten von Bund und Kommunen im Westen in jedem Jahr eine Einmalzahlung von 300 Euro. Für die Beschäftigten im Osten werden in Schritten von jeweils 1,5 Prozentpunkten die Gehälter von derzeit 92,5 auf 97 Prozent im Verhältnis zum Westen angeglichen. Weihnachts- und Urlaubsgeld werden zur Jahressonderzahlung »auf dem heutigen Niveau« zusammengeführt.
Streitpunkt war bis zuletzt eine vor allem von den Ländern und den Kommunen geforderte Arbeitszeitverlängerung. Die Beschäftigten des Bundes arbeiten nun künftig im Osten und im Westen einheitlich 39 Stunden pro Woche. Für die kommunalen Beschäftigten im Westen bleibt es bei der 38,5 Stunden-Woche, für die im Osten bei 40 Stunden die Woche. Separate regionale Vereinbarungen auf bis zu 40 Stunden je Woche sind möglich. Ver.di erläuterte, die Beschäftigten bekämen künftig Arbeitszeitkonten, die ihnen die Möglichkeit geben, »souveräner über ihre Arbeitszeit zu bestimmen«.
Die traditionelle Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten wird aufgehoben. Die Beförderung nach Lebensalter fällt ebenfalls weg.
Der Präsident der kommunalen Arbeitgeber, Thomas Böhle, wertete den Vertrag als »eine Zäsur für den öffentlichen Dienst«.
Der Verhandlungsführer der Tarifunion des Deutschen Beamtenbundes, Frank Stöhr, würdigte das Ergebnis als »Modernisierungserfolg und Gewinn« für die Beschäftigten.
Die Große Tarifkommission der Gewerkschaft der Polizei nahm das Ergebnis großer Mehrheit an. Bundesvorsitzender Konrad Freiberg sagte: »Die Verhandlungspartner waren sich der Verantwortung bewusst, dass ein Scheitern des von beiden Seiten als notwendig erachteten Reformprozesses zu unerwünschten Konsequenzen geführt hätte.« Auch die Lehrergewerkschaft GEW begrüßte grundsätzlich die Einigung zur Modernisierung des Dienstrechts. Das Tarifergebnis müsse nun auf die Beamten übertragen werden.

Artikel vom 10.02.2005