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Schulboykott:
Zwangsgeld
gegen Eltern

Druck auf Baptisten erhöht

Von Ernst-Wilhelm Pape
Paderborn (WB). Im Fall der Schulverweigerer im Kreis Paderborn will die Bezirksregierung Detmold Zwangsgelder von jeweils mehr als 1000 Euro gegen betroffene Eltern und deren Unterstützer verhängen.

Bei den Unterstützern handelt es sich um den Verein Schulunterricht zu Hause (SchuzH) im hessischen Dreieich. Gegen die Verantwortlichen des Vereins, Ingrid und Richard Guenther, hatte der Kreis Paderborn bereits Bußgelder in Höhe von jeweils 500 Euro verhängt. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen übler Nachrede gegen Ingrid Guenther. Auch die sieben baptistischen Elternpaare, die ihre 15 Kinder aus religiösen Gründen seit Monaten nicht zur Schule schicken, sondern zu Hause unterrichten, müssen jeweils ein Bußgeld von 500 Euro zahlen. Vom Schulboykott sind in Paderborn die Grundschulen Bonhoeffer, Kaukenberg, Thune sowie Josef und in Altenbeken Buke betroffen. Mit dem neuen Zwangsgeld wegen Verletzung der Schulpflicht will die Bezirksregierung den Druck auf die Eltern erhöhen, damit diese ihren Schulboykott beenden. Zeige das Zwangsgeld keine Wirkung, sollen die Kinder notfalls mit Polizeigewalt zur Schule gebracht werden.
NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD/Lage) hat gestern in einem Schreiben an alle Schulverweigerer in NRW appelliert, ihre Kinder zu einer konfessionellen Ersatzschule zu schicken, die den Glaubensüberzeugungen möglicherweise eher entspreche. Dadurch könne der Konflikt gelöst werden. Integration bedeute nicht nur, dass die Mehrheit der Bevölkerung religiöse oder weltanschauliche Minderheiten nicht ausgrenze, sondern auch, »dass diese sich nicht selbst abgrenzen und einem Dialog mit Andersdenkenden und Andersgläubigen verschließen«.
Schäfer macht in dem Brief unmissverständlich deutlich, dass die Schulpflicht auch mit Zwang durchgesetzt wird. Selbst der Antrag auf Einrichtung einer eigenen Ersatzschule befreie die Eltern nicht von dieser Pflicht, sagte Ministeriumssprecherin Stephanie Paeleke. Die Prüfung eines Antrages könne sechs Monate dauern.
Insgesamt werden in Nordrhein-Westfalen 42 Kinder aus 26 Familien aus religiösen Gründen nicht zur Schule geschickt. Schwerpunkte sind neben dem Kreis Paderborn Lüdenscheid, Euskirchen und Meinerzhagen. In OWL sind ferner jeweils eine Familie in Bad Driburg (Kreis Höxter) und in Kalletal (Lippe) betroffen.
Die FDP hat unterdessen einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch gebracht, damit geklärt wird, warum Eltern schon seit Jahren Kinder nicht zur Schule schicken müssen. FDP-Schulexpertin Ingrid Pieper-von Heiden aus Lippe: »Die bisher zögerliche Haltung des Schulministeriums ist mutlos, unverantwortlich und konfliktscheu. Es muss endlich ein Exempel statuiert werden.«

Artikel vom 09.02.2005