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»Schiris waren nie ein Thema«

1971 und 2005: Gerd Roggensack mag die Skandale nicht vergleichen

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Bielefeld (WB). Gerd Roggensack zögert. Der Bundesliga-Skandal. Sein Tor. Das 1:0 in Schalke, erzielt am 17. April 1971. »Man sollte das nicht mehr aufwärmen«, sagt der 63 Jahre alte ehemalige Fußball-Profi von Arminia Bielefeld.
Heute ist er A-Jugend-Trainer in Stukenbrock: Ex-Armine Gerd Roggensack.
Auf die Erinnerung lässt er sich schon deswegen nur höchst ungern ein, »weil ich dieses Kapitel für mich für immer abgeschlossen habe. Das hat damals lange genug gedauert.« Arminia erkaufte sich den Klassenerhalt. Vor 34 Jahren wurden 18 Spiele »erstklassig« verschoben, auch Schalke 04, Hertha BSC, der Meidericher SV, der 1. FC Köln und Kickers Offenbach steckten mit drin.
Und die Anklagebank war gut gefüllt - mit 50 Funktionären, Spielern und Trainern. Zu den Verurteilten gehörten die Schalker Stars Klaus Fischer, Rolf Rüssmann, Klaus Fichtel und Reinhard Libuda. Von den beteiligten Vereinen erging es Offenbach und Arminia schlecht. Die Hessen, deren Präsident Horst Gregorio Canellas die Lawine los getreten hatte, wurden die Lizenz los, die Ostwestfalen in die Regionalliga strafversetzt. Roggensacks Rückblick: »Die Liga, die Klubs und die Spieler haben einen hohen Preis bezahlt. Und Arminia war am Ende. Die Zuschauer blieben weg, die Sponsoren zogen sich zurück.«
Nur eines wäre den Beteiligten nicht in den Sinn gekommen: Dass Schiedsrichter schieben. »Das war nie ein Thema«, meint Roggensack, »wir wussten immer, woran wir waren und wie weit wir gehen durften. Der Schiri kam und sagte: 'Mach das bloß nicht noch mal, sonst fliegst du.' Die waren viel lockerer drauf. Da gab's auch mal einen flotten Spruch oder hinterher hitzige Diskussionen. Heute ist die Kommunikation eher schwierig.«
Den Bundesliga-Skandal von vorgestern und den dringenden Manipulations-Verdacht von heute mag Roggensack nicht miteinander vergleichen: »Ich glaube, die Tragweite ist dieses Mal nicht dieselbe. Zumindest hoffe ich das. Der Fußball wird sich wieder erholen. Die Kraft dazu hat er.« Zumindest eine Ähnlichkeit zwischen 1971 und 2005 fällt aber auf. Bis ausgepackt wurde, dauerte es lange. Gerd Roggensack hält Fußballer in diesem Punkt für besonders leichtgläubig: »Die sind doch alle ball-verrückt und haben den blauen Blick. Die denken: Da ist schon nichts, alles ist gut.«
Und wenn der schöne Schein trügt, zieht die große Krise herauf, dann macht sich das blanke Entsetzen breit. »Geld führt in Versuchungen, denen nicht alle widerstehen. Ist das nicht menschlich?«, sucht Roggensack auch nach einem Ansatz für Verständnis. Weil er sich aber weit entfernt hat vom Geschehen, ahnte er nicht einmal, welche Summen jetzt überhaupt im schmutzigen Spiel sind: »Bis diese Sache aufflog, hatte ich keinen Schimmer, auf was man alles wetten kann und wieviel es da zu kassieren gibt.«
Im Liga-Skandal 1970/71 wurden die in Umlauf befindlichen Schmiergelder übrigens auf eine Million Mark taxiert. Roggensack hat damals nichts genommen und nichts bekommen. Die Karriere neigte sich dann ihrem Ende zu. Die restlichen Jahre stürmte der einstige Alm-Liebling bei DJK Gütersloh. Als Co- und Cheftrainer landete er später wieder bei Arminia, wechselte zum 1. FC Kaiserslautern und führte 1996 den VfL Wolfsburg ins Pokalfinale, das Mönchengladbach gewann.
Dem Profi-Geschäft kehrte Roggensack danach den Rücken zu, auch zum DSC Arminia besteht keine Verbindung mehr. »Ich freue mich dafür auf jedes Training mit der A-Jugend des FC Stukenbrock, die ich betreue. Das ist die Ebene, die mir eigentlich immer schon den meisten Spaß gemacht hat.« Eine Rolle im Spitzen-Fußball sieht er für sich schon lange nicht mehr: »Ich bin froh, dass ich damit nichts mehr zu tun habe.«

Artikel vom 04.02.2005