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»Die Grenzen verlaufen hier komisch«

Alte Karte belegt: Tante Emma-Laden liegt in Quelle und nicht in Ummeln

Quelle (oh). »Tante Emma« heißt jetzt in Ummeln Petra - unter dieser Überschrift hatte das WESTFALEN-BLATT in der vergangene Woche über die Wiedereröffnung eines kleinen Lebensmittelgeschäftes an der Brockhagener Straße 183 berichtet. Zur Freude nicht nur der älteren Bewohner der benachbarten Heidekampsiedlung, die bei »Jungunternehmerin« Petra Wessel nun wieder eine nahe Einkaufs- und Nachrichtenaustausch-Möglichkeit finden.
Das Haus Quelle Nr. 47 um 1900. Hier eröffnete Besitzer Karl Schröder das erste Lebensmittelgeschäft in der Gemeinde. Den Tante Emma-Laden an der Brockhagener Straße gibt es immer noch.Fotos: Archiv Ortsheimatpfleger/Repros: Annemargret Ohlig
Auch Ortsheimatpfleger Ehrhardt Schelp freute sich. Liegen ihm doch naturgemäß »alte Schätzchen« und ihr Erhalt - und ein solches ist dieser vor mehr als 100 Jahren eröffnete »Tante Emma-Laden« - am Herzen. Allerdings: Schelp ist Ortsheimatpfleger von Quelle und weiß ganz genau, dass das Geschäft samt Standort - anders als von vielen Brackwedern gedacht und so auch berichtet - in seinem Stadtbezirk liegt.
Heidekampsiedlung und Brockhagener Straße sind bislang nämlich nicht nach Ummeln »eingemeindet« worden. »Die Grenzen laufen hier ganz komisch«, gibt Ehrhardt Schelp zu. »Da kann man schon ins Schleudern kommen.« Es gebe in der Nähe der Siedlung sogar eine bestimmte Stelle - lege man sich dort auf die Erde, dann könne beispielsweise der Kopf auf Brackweder Gebiet, der eine Arm auf Ummelner und der andere auf Queller Gebiet zu liegen kommen«, erklärt der Ortsheimatpfleger schmunzelnd die Möglichkeiten, die dieses »Gemeinde-Dreieck« bietet.
Und auch die auf der anderen Straßenseite der Heidekampsiedlung liegende katholische Kirche St. Michael steht schon auf Ummelner Gebiet. Wer an der korrekten Zuordnung des »neuen« alten Tante Emma-Ladens zu Quelle einschließlich der Siedlung samt Teilen der Brockhagener Straße noch Zweifel hegt, dem zeigt der Ortsheimatpfleger eine Karte aus seinem Bestand von 1952.
Karl Schröder, der Ende des 19. Jahrhunderts in seinem roten Backsteinhaus das Lebensmittelgeschäft eröffnet hat, dem stellte sich die Frage »Quelle oder Ummeln?« jedoch nicht. Weil es damals in diesem Gebiet noch keinen Straßennamen gab, nummerierte die Gemeinde ihre Häuser einfach durch. Die Adresse des Schröderschen Anwesens lautete - ganz eindeutig: Quelle Nr. 47.
Die Idee zur Eröffnung seines Ladens kam dem geschäftstüchtigen Mann, als um die Jahrhundertwende immer mehr Menschen in die Nähe des Heidekamps zogen. Etliche andere Queller taten es Karl Schröder dann gleich und eröffneten im Laufe der Jahre flächendeckend kleine Läden.
Durch Recherchen hat Ehrhardt Schelp herausgefunden, dass es 1955 insgesamt 20 (!) »Tante Emma-Läden« in Quelle gab. Ob die auch so gut liefen, wie dieses erste und inzwischen letzte Lebensmittelgeschäft (Discounter sind dabei nicht berücksichtigt), bleibt dahingestellt. Karl Schröder jedenfalls »erweiterte« schon bald sein Angebot.
»In einem winzigen Hinterzimmer - im Volksmund "Stilleken-Knäipe" genannt - wurde damals Bier und Schnaps verkauft«, erzählt Ortsheimatpfleger Schelp. »Hier trafen sich einige trinkfeste Männer bei kühlem Bier und harten Schnäpsen zum Klönen.« Selbst die beiden Schutzleute Deppe und Bentrup, die auf ihren Kontrollgängen durch Quelle vorbei kamen, sollen in der Stube hinter dem Lebensmittelgeschäft eingekehrt sein und eifrig mitgetrunken haben.
Kein Wunder, dass die »Stilleken Knäipe« nach einiger Zeit zu klein wurde und Karl Schröder beschloss, eine richtige Gaststätte zu bauen. Die wurde bis in die fünfziger Jahren mehrfach umgebaut. Und in diesem Aussehen präsentiert sie sich bis heute.
Auf dem dazugehörigen Gelände stand übrigens auch Quelles erste, selbst gebaute Turnhalle, weiß der Ortsheimatpfleger zu berichten. In dieser Halle trafen sich auch die Gesangsvereine zur Chorprobe.
Gaststätte und Laden blieben zunächst in Familienbesitz. Im Jahr 1938 wurden diese von Karl Schröders Sohn Emil und dessen Frau übernommen und weitergeführt. Ein knappes Vierteljahrhundert später erwarb dann Familie Kullak den Gebäudekomplex. Irmgard Kullak führt seitdem die Gaststätte, der Laden wurde verpachtet. Viele Jahre verkaufte hier Wilhelm Cornelius mit seinem Team alles, was die Queller für Topf und Kühlschrank brauchten. Seit kurzem ist es nun Petra Wessel, die »Tante Emma« zu neuem Leben erwecken will.

Artikel vom 04.02.2005