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Leitartikel
Studiengebühren

Belastung
zumutbar
und gerecht


Von Dietmar Kemper
Bildung darf nicht vom Geld abhängen, argumentieren die Gegner von Studiengebühren. Weil Bildung Geld kostet, müssen angehende Akademiker ihren finanziellen Beitrag leisten, halten die Befürworter dagegen. Gestern erhielten sie Auftrieb aus Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht kippte das bundesweite Verbot von Studiengebühren und stärkte damit die Rechte der Bundesländer. Wichtig an dem Urteil ist, dass es keine Aussage über den politischen Sinn oder Unsinn von Studiengebühren trifft.
Auch die Frage, ob Gebühren von etwa 500 Euro pro Semester gerecht sind und ob Abiturienten dadurch vom Besuch der Hochschulen und Universitäten abgeschreckt werden, hatte die Kammer nicht zu entscheiden.
Es ging lediglich um die Frage, ob eine Bundesregierung das Verbot erlassen durfte. Rot-Grün durfte es nicht. Welche Folgen das Urteil aus Karlsruhe im Studienalltag haben wird, lässt sich noch nicht genau abschätzen.
Folgende Effekte sind sehr wahrscheinlich: Gebühren werden dazu anspornen, zügig zu studieren, und sie werden die Quote der Abbrecher verringern. Seit Jahren klagen Rektoren über junge Leute, die nach dem Abitur ohne klare Berufsentscheidung »erstmal studieren«, dann aber die Hörsäle unverrichteter Dinge verlassen.
Zudem werden die Gebühren dafür sorgen, dass der Akademikernachwuchs noch mehr Stunden als Aushilfskellner oder Babysitter arbeitet, um die finanzielle Mehrbelastung aufzufangen. Weil die unionsregierten Länder Studiengebühren erheben wollen, die SPD-geführten aber nicht, wird es zu Bildungstourismus kommen. Als Hessen zum Sommersemester Gebühren für Langzeitstudenten einführte, wichen Betroffene nach Rheinland-Pfalz aus.
Mit Recht mahnen die angehenden Akademiker an, der Erlös aus Studiengebühren müsse den Hochschulen in Form neuer Tutoren und Lehrbeauftragter zugute kommen, anstatt damit Löcher im Haushalt zu stopfen. Verständlich ist auch ihre Mahnung zu einer sozialverträglichen, weitgehend einheitlichen Höhe der Gebühren. Macht jedes Bundesland, was es will, wären Studienbedingungen kaum noch vergleichbar.
Allerdings müssen sich die Studierenden zugleich sagen lassen, dass 500 Euro finanziell verkraftbar sind. Wer neun Semester bis zum Abschluss braucht, muss letztlich 4500 Euro zahlen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Akademiker mit abgeschlossenem Hochschulstudium gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wer also anschließend gut verdient, kann ein Darlehen über 4500 Euro leicht zurückzahlen. Schon jetzt wird das lukrative Studium von allen Steuerzahlern subventioniert.
Ohne selbst etwas davon zu haben, finanziert ein Automechaniker das Studium eines Tierarztes mit. Allein schon deshalb sind moderate Studiengebühren, die die Qualität der Lehre verbessern, keine unzumutbare Belastung. Es ist der Beitrag der Studierenden zu ihrer erfolgreichen Berufs-Zukunft.

Artikel vom 27.01.2005