27.01.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Briten riskieren ihren Ruf

Ärger in Paderborn: Opfer warten auf Geld -ÊTäter nicht belangt

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Sie pöbeln und prügeln, Deutsche sind »Krauts« oder werden mit schlimmeren Schimpfwörtern bedacht - und dann geht's zur Sache. Kaum ein Wochenende, ohne dass britische Soldaten irgendwo in Paderborn über die Stränge schlagen.

Es sind zwar immer nur Einzelfälle. Aber sie werfen ein schlechtes Licht auf die gesamte Rheinarmee und belasten das eigentlich gute Verhältnis zwischen Paderbornern und Briten. Wenn dann die Täter auch noch ungeschoren davon kommen, die Behörden sich um die Schadensregulierung drücken, ist das Maß irgendwann voll.
Carsten Uhlig (33) aus Delbrück kann ein Lied davon singen. Im Oktober 2003 zertrümmerte ein betrunkener Soldat im Paderborner Mühlenviertel mutwillig die Windschutzscheibe seines Autos. Obwohl ein Zeuge den Täter identifizierte, die deutsche Polizei ihn festnahm und der britischen Militärpolizei übergab, wartet Uhlig bis heute auf Ersatz der Reparaturkosten von gut 400 Euro. Nach Dutzenden von Telefonaten und Nachfragen erfuhr er jetzt: Die Militärjustiz habe das Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt, da dieser völlig betrunken und daher unzurechnungsfähig gewesen sei. Besonders schmerzlich: Die Personalien des Täters geben die Briten auch nicht heraus. Uhlig kann ihn deshalb nicht einmal zivilrechtlich belangen.
Ein Einzelfall? Keineswegs. »Mir liegen zurzeit 18 unerledigte Fälle vor«, gibt der britische Verbindungsoffizier Ian Grant Auskunft und zeigt wenig Verständnis im Fall Uhlig: »Warum dieser Randalierer nicht bestraft wurde, ist mir völlig unklar«. Grant will die Vorfälle zwar nicht verharmlosen, meint jedoch, bei 4000 britischen Soldaten im Raum Paderborn sei deren Anteil an Straftaten verschwindend gering.
Die Statistik spiegelt nicht unbedingt die Realität wider. Die FDP, die das Tabu-Thema vor eineinhalb Jahren zuerst auf den Schild hob, beklagte schon damals »massive Sicherheitsprobleme vorwiegend in kasernennahen und gastronomisch geprägten Stadtvierteln« und forderte härtere Konsequenzen für gewalttätige britische Soldaten.
Britische Militärgerichte urteilten zumeist deutlich härter als deutsche Gerichte, versicherte Streitkräftesprecher Mike Whitehurst. »Wenn ein britischer Soldat in der Innenstadt ein Schaufenster demoliert, kann er absolut sicher sein, binnen sechs bis acht Wochen im Knast zu sitzen«, ließ sich Patrick OêKeefe, Direktor des auch für Paderborn zuständigen Armee-Gerichts-Zentrums Gütersloh, zitieren.
Der Paderborner Rechtsanwalt Dr. Andreas Jolmes hat andere Erfahrungen gemacht. Er vertritt mehrere Briten-Opfer und berichtet von einem ganz konkreten Fall: Im April 2004 hatte ein britischer Soldat versucht, in Paderborn eine junge Frau zu vergewaltigen. »Zwei Tage später wurde er nach England versetzt und dem Zugriff der deutschen Justiz regelrecht entzogen«, kritisiert Jolmes.
(Weitere Fälle und was Opfer tun können, lesen Sie im großen Paderborner Lokalteil)

Artikel vom 27.01.2005