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Fassungslos in Ahrensburg

Norddeutsche Kleinstadt steht nach Mord an einer Lehrerin unter Schock

Ahrensburg (AP). Nach dem Mord an einer 55 Jahre alten Realschullehrerin in Ahrensburg bei Hamburg steht die Stadt unter Schock. Bürger, Kollegen und Schüler äußerten sich entsetzt über die Tat, für die laut Polizei und Staatsanwalt offenbar ein 18-jähriger Realschüler und sein zwei Jahre älterer Bruder verantwortlich sind.

»Es geht jetzt vordringlich darum, wie Hilfestellung für Schüler und Lehrer geleistet werden kann«, sagte Bürgermeisterin Ursula Pepper gestern nach einer Krisensitzung in der Schule. Schüler und Lehrer bereiten für Donnerstag eine Trauerfeier vor.
Obwohl sie bislang kein Geständnis abgelegt haben, zeigte sich Peter Diedrich, Sprecher der Bezirkskriminalinspektion Lübeck, sicher: »Wir gehen davon aus, dass wir den Fall aufgeklärt haben.« Die Staatsanwaltschaft will, vermutlich im März, Anklage erheben. »Wir gehen davon aus, dass die beiden die Täter sind«, sagte der Lübecker Oberstaatsanwalt Günter Möller. Die Brüder sitzen in der JVA Neumünster in Untersuchungshaft.
Wegen schlechter Benotung des 18-Jährigen sollen sie die unter Schülern beliebte Isolde F. am Sonntag vor einer Woche in deren Wohnung erstochen haben, so die Ermittler. Der 18-jährige Deutsche kasachischer Abstammung war in der zehnten Klasse, in der die Lehrerin Deutsch unterrichtete. Wegen seiner schlechten Note in diesem Fach hatte er sich vor einigen Wochen mit der Lehrerin laut gestritten. Er habe um seinen Realschulabschluss und damit um die geplante Bewerbung bei der Bundeswehr gefürchtet, berichtet die Polizei in Lübeck.
In der Schule hieß es, der mutmaßliche Mörder sei integriert gewesen. »Gerade bei ihm können sich das viele gar nicht vorstellen«, sagte Bürgermeisterin Pepper und betonte, noch müsse die Unschuldsvermutung gelten. Die Lehrerschaft reagierte geschockt: »Viele meiner Kollegen leben in Angst, trauen sich aber nicht, das offen zuzugeben«, sagte eine Lehrerin. Im beschaulichen Ahrensburg schüttelten die Menschen den Kopf über die Sinnlosigkeit der Tat. »Es ist so ein Widerspruch - dieses idyllische Bild unserer Kleinstadt auf der einen, der heimtückische Mord auf der anderen Seite«, sagte eine 48 Jahre alte Einheimische. »Was muss in dem Kopf dieses Jungen vorgegangen sein?«
Die beiden Brüder waren am vergangenen Donnerstag, wie berichtet, festgenommen worden, nachdem sie Widersprüchliches zu ihren angeblichen Alibis gesagt hatten. Sie leben seit acht Jahren in Ahrensburg. Der 20-Jährige ist in einer Ausbildung als Koch.

Artikel vom 25.01.2005