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»Neue Qualität des Terrors«

Ex-Verfassungsschutzchef sieht Gefahr eines Nuklearanschlags

München/Karlsruhe (ddp/dpa). Ex-Verfassungsschutzchef Eckart Werthebach hält das Terrorpotenzial in Deutschland für Besorgnis erregend. Mit der Festnahme der beiden El Kaida-Verdächtigen sei eine »neue Qualität« erreicht worden.

Mit Blick auf das Bestreben der beiden mutmaßlichen Terroristen, für Anschläge auch Nuklearmaterial beschaffen zu wollen, bestätige sich »die Befürchtung, dass El Kaida versuchen könnte, mit einer verschmutzten Bombe größten Schaden anzurichten«, unterstrich der ehemalige Verfassungsschutzpräsident. Werthebach erinnerte daran, dass es schon lange die Sorge gebe, dass sich unter Asylbewerbern auch Terroristen verstecken könnten oder versteckt haben. Deshalb würden nun Asylbewerber, bei denen es die Gefahr eines terroristischen Hintergrundes gebe, verstärkt ausgewiesen. Dies sei durch das neue Zuwanderungsgesetz erleichtert worden.
Auch der EU-Sonderbeauftragten für die Terrorbekämpfung, Gijs de Vries, hält die Gefahr islamistischer Anschläge mit radioaktivem, chemischem oder biologischem Material für »ganz real.«
Mehrere terroristische Gruppen hätten bereits »aktiv versucht«, solche Substanzen für einen Anschlag zu bekommen. Die Möglichkeit dazu bestehe: »Es gibt einen Schwarzmarkt für radioaktives Material - den die Regierungen jedoch sehr eng beobachten.«
Die Islamisten bedienten sich inoffiziellen Finanzierungswegen wie gemeinnützigen Organisationen oder persönlichem Geldtransport über die Grenzen. »Dem müssen wir unsere Kontrollmechanismen anpassen.«
Der Terrorismus-Experte Rolf Tophoven hält Deutschland zurzeit nicht für ein Hauptziel internationaler Terroristen. Dies könne sich aber in diesem Umfeld über Nacht ändern, sagte der Leiter des Essener Instituts Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik.
»Derzeit läuft die Schiene von Deutschland in den Irak.« In Deutschland würden Männer für Selbstmordanschläge im Irak rekrutiert.
Gegen die beiden am Sonntag festgenommenen mutmaßlichen El-Kaida-Terroristen sind gestern vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs Haftbefehle erlassen. Die Haftbefehle lauteten auf Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung beziehungsweise deren Unterstützung, teilte die Bundesanwaltschaft am Abend in Karlsruhe mit. Die Polizei hatte am Sonntag in Mainz einen 29-Jährigen Iraker und in Bonn einen 31 Jahre alten staatenlosen Palästinenser festgenommen.
Der in Mainz gefasste Iraker ist schon bei der Rasterfahndung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 überprüft worden. Dabei hätten sich aber keine »wesentlichen Verdachtsmomente« gegen den Mann ergeben, sagte ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums. Die monatelange Beobachtung, die zur Festnahme führte, gehe auf einen Hinweis aus der Bevölkerung zurück. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 25.01.2005