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Doppelleben
für die Liebe

Irma la Douce im neuen Theater

Espelkamp (hek). »Eine Ratte nagt in meinen Eingeweiden«, die Eifersucht zerfrisst Nestor (Andreas Bittl). Das Herz seiner Angebeteten gehört ihm. Der einzige Mann im Leben der Prostituierten Irma (Barbara Ferun) ist er jedoch nicht. Am Samstag verzauberte das Musical um die sanfte und zugleich temperamentvolle Verführerin und den schüchternen Studenten das Espelkamper Publikum.

Noch bevor sich der Vorhang öffnete, entführte das Musikensemble unter Leitung von Andreas Peschel in die Straßen von Paris. Genauer gesagt, gehe es »direkt in das verruchte Pariser Milieu«, ins »Zentrum des asozialen Zirkels«, so Barkeeper Bob (Steffen Friedrich). Im »Chez Bob« laufen die Fäden des Rotlichtmilieus zusammen. Eines Tages verirrt sich Nestor, der so gar nicht in das sündhafte Viertel passt, in das Stammlokal der »Irma la Douce«. Sogleich als Fremdling erkannt, werden dem Jurastudenten Messer an die Kehle gesetzt. Doch Nestor lässt sich nicht einschüchtern: Er beobachtet einen Streit zwischen Irma und ihrem Zuhälter Hypolite (Joe Henselewski). »Denkst du, du kannst dir bis ans Ende deiner Tage, die Nase an meinem Korsett wärmen«, fährt Irma den Zuhälter an, der Anspruch auf ihre Tageseinnahmen erhebt. Als es zu Handgreiflichkeiten kommt, ergreift Nestor für die verführerische Schöne Partei. Mit feurigem Temperament und zugleich liebenswerter Kindlichkeit gewinnt Irma das Herz des zurückhaltenden Studenten, welchem nach Alkoholgenuss das Sodbrennen plagt. Trotz aller Unterschiede finden die Verführerin, in Netzstrümpfen und rotem Ledermantel, und der angehende Jurist zueinander. In ihrem kleinen Liebesnest im Dachgeschoss umsorgt Irma ihren Liebsten. Dass sich Irmas Menükarte zumeist auf Eier beschränkt, nimmt Nestor tapfer hin. In Wertschätzung ihrer Kochkünste scheut sich der Liebende nicht, zehn Eier pro Mahlzeit zu bewältigen. Irma träumt von einer Märchenhochzeit in weißem Satin und einer gemeinsamen Zukunft auf dem Land.
Die Realität entspricht leider weniger diesem kleinbürgerlichen Idyll: Nestor fällt es schwer, seine Eifersucht unter Kontrolle zu halten: »Ich bin doch der Einzige, der Wahre, der nichts anderes kann als Irma lieben.« Um endlich der einzige Mann im Leben der schönen Irma zu sein, nimmt Nestor eine neue Identität an: Mit Brille, Gehrock und falschem Schnurbart ausgestattet, wird er zu Monsieur Oscar. Ihre Dienste werden Irma mit 100 Francs pro Tag großzügig vergütet. Die Bedingung des spendablen Gönners: Neben ihm darf sie keinen anderen Mann empfangen, bis auf den einen natürlich, dem ihr Herz gehöre. Um sein »Monopol« auf die süße Irma zu finanzieren, bohnert Oscar alias Nestor Böden. Daneben bringt ihn das Hin- und Herspringen zwischen zwei Identitäten - nicht nur im übertragenen Sinne - aus der Puste. Zu allem Überfluss entpuppt sich Oscar als Nebenbuhler. »Sie betrügt mich mit mir. Und ich betrüge mich doppelt.« Nestor, der Irmas Schwärmerein von Monsieur Oscar leid ist, trifft einen verzweifelten Entschluss: Monsieur Oscar muss sterben. Nach Versenken von Oscars Gehrocks in der Seine wird Nestor als dessen vermeintlicher Mörder auf die Teufelsinsel verbannt. Doch die Liebe setzt ungeahnte Kräfte frei: Nestor flieht, kehrt über Umwege nach Paris zurück. Hier schlüpft er abermals in die Rolle Oscars und beweist - mithilfe eines Steuerbescheids - , dass er noch unter den Lebenden weilt. Rechtzeitig zur Geburt seiner Zwillinge wird Nestor rehabilitiert. Neben skurrilen Charakteren wie dem Inspektor (Burkhard Heim), der »aus menschlichem Laster Zaster zu machen wusste«, bestach das Musical durch mitreißend-feurige Tanz- und Gesangseinlagen.

Artikel vom 25.01.2005