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DNA - oft die letzte Hoffnung

Viele Straftäter werden nur mit »genetischen Fingerabdruck« überführt

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Haare, Hautschuppen, Speichel: An 650 Tatorten haben die sieben Polizeibehörden Ostwestfalen-Lippes in nur zwölf Monaten DNA-Spuren gesichert und in die Datenbank des Bundeskriminalamtes eingestellt. »Durch einen Abgleich mit dieser DNA-Datei konnten im selben Zeitraum 89 Tatverdächtige ermittelt werden«, sagte gestern Kriminaldirektor Wolfgang Schubert von der Bezirksregierung Detmold.

Ende 2001 hatte die Mordkommission wochenlang nach einem Mann gesucht, der in Bad Oeynhausen ein betagtes Ehepaar in dessen Haus überfallen und so brutal misshandelt hatte, dass beide Opfer ihren Verletzungen erlagen. Als die Beamten schließlich einen Tatverdächtigen aufgespürt hatten und dieser leugnete, half ihnen die einzige verwertbare Spur, die der Täter hinterlassen hatte: ein paar Hautzellen auf dem Klingelknopf. Mit Hilfe einer DNA-Analyse konnte bewiesen werden, dass der Mann am Tatort gewesen war - und er gestand.
»Nach schweren Straftaten zählen DNA-Spuren zu unseren wichtigsten Ermittlungsansätzen«, sagt Erster Kriminalhauptkommissar Klaus Lowack, Leiter des Erkennungsdienstes im Polizeipräsidium Bielefeld. Seine Kollegen suchen an Tatorten nach winzigen menschlichen Spuren, um diese auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses beim Landeskriminalamt (LKA) untersuchen und in die BKA-Datei einstellen zu lassen. Außerdem nehmen die Beamten mit richterlicher Genehmigung Speichelproben von Tatverdächtigen, deren DNA-Code ebenfalls in die Wiesbadener Datei eingestellt und dort mit alten, aber auch künftig anfallenden Tatortspuren verglichen wird.
Die Kriminalbeamten arbeiten auch »Altfälle« ab: »Die Staatsanwaltschaft nennt uns Namen von Strafgefangenen, die seit Jahren in Haft sitzen und deren DNA in die Datei eingestellt werden soll«, sagt Lowack. Jährlich nehmen die Polizisten allein in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld Speichelproben von mehreren hundert Häftlingen. Lowack: »So konnten schon Straftaten aufgeklärt werden, die die Menschen vor ihrer Inhaftierung begangen hatten.«
Polizisten fordern, grundsätzlich bei jedem Tatverdächtigen einen Speichelabstrich nehmen zu dürfen - analog zu Fingerabdrücken und Fotos, die zu jeder erkennungsdienstlichen Behandlung gehören. Derzeit sind Speichelproben jedoch nur bei Verbrechen, Sexualstraftaten, Erpressung, schwerem Diebstahl und gefährlicher Körperverletzung erlaubt. Und auch nur, wenn ein Richter zustimmt. Kriminaldirektor Rolf Jaeger, stellvertretender Landesvorsitzender des »Bundes deutscher Kriminalbeamter«: »Die Beschränkung auf wenige Delikte verhindert die Aufklärung vieler Straftaten. Wenn ein vorbestrafter Kleinkrimineller irgendwann eine Bank überfällt und Spuren hinterlässt, finden wir seinen Namen nicht in der DNA-Datei - weil der DNA-Code eines Kleinkriminellen eben nicht erfasst werden darf.« Nicht nachzuvollziehen sei zudem, dass DNA-Spuren, die an Tatorten gefunden würden, nur mit Richtererlaubnis untersucht werden dürften: »Reisende Täter haben sich abgesetzt, bevor wir die Genehmigung des Richters haben.«
Der DNA-Test - er ist längst zur letzten Hoffnung in vielen Ermittlungsverfahren geworden, wenn selbst aufwendigste kriminalistische Kleinarbeit nicht zum Erfolg geführt hat. So konnte der Tod einer Herforder Altenheimbewohnerin erst geklärt werden, nachdem die Kripo 3134 Männer zu Speicheltests gebeten hatte. Als die Wissenschaftler im LKA die 1497. Speichelprobe ausgewertet hatten, kannten sie den Täter.

Artikel vom 18.01.2005