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Alte-Damen-Ehe die Ausnahme

Nutzung des Partnerschaftsgesetzes bislang einmalig, aber stark beachtet

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die rechtlich zulässige »Homo-Ehe für Heteros« haben zwei alte Damen aus Bad Schwartau in der vergangenen Woche geschlossen, allein um sich Rentenvorteile zu verschaffen.

Der Fall ist bislang eine absolute Ausnahme - macht aber bundesweit Schlagzeilen. Obwohl sie nicht lesbisch sind, konnten die zwei alte Freundinnen vor dem Standesamt in Bad Schwartau im Rahmen der Homo-Ehe ganz legal heiraten. »Wir sind nicht 'anders', wir wollen uns aber gegenseitig absichern«, zitierten die »Lübecker Nachrichten« die 79 und 73 Jahre alten Frauen.
Hintergrund: Nach dem Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft kann nach dem Tod eines Partners Hinterbliebenenrente beantragt werden. Die Eheschließung der beiden - wie sie sagen - »normal« veranlagten Freundinnen verstößt auch nach Angaben des Bundesjustizministeriums nicht gegen das Gesetz: »Es ist richtig, dass die Lebenspartnerschaft nicht von einer homosexuellen Neigung abhängt«, so ein Ministeriumssprecher. Allerdings entstünden aus Lebenspartnerschaften nicht nur Rechte. Als Paar müssten sie wechselseitig bis zur Belastungsgrenze zahlen, wenn Pflegekosten anfallen.
Deshalb warnt auch die Paderborner SPD-Familienpolitikerin Ute Berg vor einer Überdramatisierung extremer Einzelfälle. Beide Seiten gingen in der Tat die Verpflichtung ein, zunächst einmal füreinander da zu sein. So gingen mit der Heirat gegebenenfalls Sozialhilfeansprüche verloren.
Außerdem, so die Bundestagsabgeordnete, entfielen 2004 auf knapp 400 000 Eheschließungen gerade einmal 6000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Wenn nun darunter womöglich vereinzelt Fälle seien, wie der aus Lübeck gemeldete, dann müsse dass noch niemanden wirklich erschüttern.
Man orientiere sich bei der Rechtsprechung an der Ehe, erläutert die Berliner Juristin und Politologin Sabine Berghahn. Weil der Staat aber die Persönlichkeitsrechte von Eheleuten nicht verletzten dürfe, könne er auch nicht vorschreiben, dass die Partner etwa zusammen wohnen oder gar sexuelle Beziehungen miteinander haben. Die beiden alten Damen dürften nur nicht offen sagen, dass sie es mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ausschließlich auf ihre Absicherung abgesehen hätten.
Bei eingetragenen Lebenspartnerschaften gibt es seit dem 1. Januar 2005 bei einem Todesfall der einen Person für die andere eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Überlebende erhält dann zusätzlich zur eigenen Rente noch eine Witwen-Rente von bis zu 55 Prozent der früheren Versorgung ihrer Partnerin. Nicht möglich ist die Eintragung als Lebenspartnerschaft (»Homo-Trick«) für zwei Schwestern oder ein angebliches Verhältnis aus Vater und Sohn. Das gilt auch, wenn sie die Bildung einer Versorgungsgemeinschaft nachweisen können.
In Berlin hat unterdessen eine Debatte darüber begonnen, warum diese Konsequenz aus dem Lebenspartnerschaftsgesetz bei den Beratungen im Bundestag nicht angesprochen worden ist. Auch bei der Opposition ist die »Nebenwirkung« des Gesetzes offenbar niemanden aufgefallen.
Allein die Unionsabgeordneten Wolfgang Zeitlmann und Wolfgang Zöller erklärten auf Befragen, die Angleichung bei der Hinterbliebenenversorgung werde wohl neue Ansprüche an die Rentenkassen bringen. Das könnten die deutschen Rentner angesichts der ihnen aufgebürdeten de facto-Kürzungen kaum verstehen.
Die Sozialverbände beklagen, dass 21 Millionen Rentenbezieher auch 2005 wieder unter dem Strich weniger Geld in Händen halten als im Vorjahr. Von April an zahlen Kinderlose höhere Beiträge zur Pflegeversicherung.

Artikel vom 18.01.2005