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Bielefelds Debattierer
waren »überirdisch«

Wortwitz, Schlagfertigkeit und geistreiche Argumente

Von Burgit Hörttrich (Text)
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Zwischenrufe sind erlaubt. Im Prinzip. Wenn der Redner sie zulässt.

Florian Reul lässt sich ein wenig von einem Zwischenrufer der Opposition aus dem Konzept bringen: »Jetzt nicht - oder meinetwegen doch«. Im Anschluss ist es für ihn schwierig, wieder den berühmten »roten Faden« seiner eigenen Argumente zu finden. Der Debattierclub Bielefeld hatte zum »Wortsport« eingeladen, dem 1. Bielefelder Debattiertag in der Universität.
Mit Wortwitz, Schlagfertigkeit, ausgefeilten Formulierungen und gelegentlich der ganz großen Geste traten 24 Disputanten aus den Hochschulen in Bielefeld, Dortmund, Münster und Düsseldorf in Teams gegeneinander an: »Verehrte Regierung, verehrte Opposition, verehrte Jury, hohes Haus. . .« Am Ende von zwei Debattenrunden zu den Themen »Der gläserne Abgeordnete« und »Wir schließen einen Pakt mit dem Teufel«, was auf die Frage hinaus lief, ob Otto Rehhagel Deutschland zum Fußballweltmeister machen kann, hatten Bielefelder Redner klar die Nase vorn. Es siegten knapp Meinhard List und Martin Werneburg vor einem zweiten Bielefelder Team mit Marcel Raschke und Maja Walter. Alle waren sich einig: »Es war ein gutes Finale.«
Die Lust am Streiten und das Fechten mit Worten steht in Deutschland längst nicht so hoch in Kurs wie etwa in Großbritannien. Aber auch hier zu Lande gibt es inzwischen an die 30 Debattierklubs, deren Teilnehmer die geschliffene Rede, das pointierte Wort erlernen und schulen wollen, um rhetorisch zu überzeugen. Was ja schließlich auch im Alltagsleben wichtig ist. In politischen Gremien erst recht. Bei Langweilern und Nuschlern lockt die Lobby doch mehr als das Plenum - was genau so für den Bundestag gilt wie für den Stadtrat.
Bei 1. Bielefelder Debattiertag wurden die Positionen, die die einzelnen Redner zu vertreten hatten, zugelost, so dass Rede und Gegenrede gut überlegt sein wollten. Gelegentlich durfte es auch unsachlich zugehen: »Wann endlich kommt Ihr erstes sachliches Argument?« oder »Das war Ihr bei weitem geistreichstes Argument«. Da durfte der Finger in die Wunde gelegt werden: »Ja, sind Sie nicht selber Politiker?« Beschimpfungen allerdings sind strengstens verboten - da gibt es dicke Minuspunkte von der Jury. Die vergibt Punkte zwischen 50 (sehr dürftig) und 100 (überirdisch).
Kommentare des Publikums, Bemerkungen von den billigen Plätzen oder gar schnödes Handygeklingel sind verpönt. Und wenn die Glocke angeschlagen wird, dann heißt es, sich am Riemen zu reißen.
Der Debattierclub der Universität Bielefeld wurde im Oktober 2003 gegründet, dienstags und donnerstags treffen sich Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen, die Lust daran haben, sich gegenseitig die Argumente um die Ohren zu schlagen oder aber die der Gegenseite mit dem Florett zierlich aufzuspießen. Weitere Informationen:
www.debattierclub-bielefeld.de

Artikel vom 17.01.2005