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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Die Jahreslosung für 2005 lautet: »Jesus Christus spricht: âIch habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöreÔ«(Lukas 22, 32). Es ist eines der trostreichsten Worte der gesamten Bibel und darf es als ein gültiges Vorzeichen des gesamten Lebens und auch des Sterbens eines Menschen gelten und in Anspruch genommen werden. Es umschließt ihn in seinem Glück und seiner Freude, ebenso aber, wenn ihm Leid und Schmerzen zusetzen. Es bleibt gültig, auch wenn ihn Zweifel quälen und er sich mit Anfechtungen plagen muß. Es wird nicht einmal außer Kraft gesetzt durch das, womit einer Schuld auf sich lädt.
Ursprünglich richtet Christus dieses Wort an seinen Jünger Petrus, und zwar als er ihm voraussagt, er werde ihn verleugnen. Petrus selber sieht seine eigene Person ganz anders. Er sei bereit - so sagt er und meint das in diesem Augenblick wohl völlig ehrlich - mit seinem Herrn ins Gefängnis zu gehen und, wenn es sein müßte, sogar in den Tod. Er hält sich für standfest und für absolut verläßlich - und muß wenig später erleben, wie er kläglich versagt. Sein ideales Selbstbild bekommt einen tiefen Riß. Zu beachten ist, daß die Fürbitte Jesu nicht darauf gerichtet war, seinen Jünger vor dieser Erfahrung zu bewahren. Sondern dieser mußte unter Schmerzen lernen und akzeptieren, daß er der starke Mann nicht war, der niemals umfallen würde. Trotzdem wird er nicht verworfen, sondern später mit einem neuen Auftrag versehen, den er nunmehr - der eigenen Unzulänglichkeit innegeworden - barmherziger gegen andere wahrnehmen kann.
Mancher zählt sich eher zu denen, die zum Glauben keinen Zugang haben und sich nicht vorstellen können, einen solchen zu finden. Dennoch vermag wohl jeder darüber mitzureden, daß ihm in bestimmten kritischen Situationen Mut zuwuchs, der nicht aus ihm selber stammte, daß sich ihm eine neue Perspektive auftat, wo vorher pure Aussichtslosigkeit zu herrschen schien.
Menschen an der Grenze ihres Lebens können spüren, daß sie getragen und hinübergetragen werden auf die andere Seite und dadurch die Angst verlieren vor der letzten dunklen Etappe, auch wenn sie sich mit dem Thema »ewiges Leben« vorher nie befaßt hatten, weil es ihnen zu ungreifbar und unfaßbar erschien. Sie kommen auch jetzt nicht in die Lage, sich darüber klar und verständlich zu äußern, aber sie können erfahren, daß sie ruhiger werden. Denn es gibt eine Ruhe und einen Frieden, die nicht von dieser Welt sind und die doch in diese Welt hineinwirken.
Glaube ist niemals ein Besitz. Vielmehr ist er eine Kraft, die einem geschenkt und von außen her erneuert wird. »Ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre« - diese Zusage macht Jesus nicht von bestimmten menschlichen Voraussetzungen - etwa von Frömmigkeit oder Kirchlichkeit - abhängig. Sie gilt voraussetzungslos, und so kann sich jeder uns ihr geborgen und durch sie getragen wissen.
In diesem Zusammenhang ist sehr bedenkenswert, was Karl Rahner einmal über die Seelsorge geschrieben hat. Er meint: »Alle Seelsorge darf damit rechnen, daß Gott mit den Menschen bereits einen langen Weg gegangen ist. Die Seelsorge hat den Menschen nicht etwas zu bringen, was sie noch nicht hätten. sie hat ihnen vielmehr aufzuzeigen, was sie längst besitzen: Gottes tiefes Wohlwollen. Gottes Segen, Gottes Erbarmen. Alle Seelsorge hat den Sinn, die Menschen in das Geheimnis ihres Lebens einzuführen - ein Geheimnis, aus dem sie längst leben, ohne es zu wissen.«
Es lohnt sich, unter diesem Gesichtspunkt das eigene Leben Revue einmal passieren zu lassen und zu bedenken. Daraus erwächst dann auch an Kapital an Hoffnung und Zuversicht: Was immer auch geschehen wird, da ist einer - Jesus Christus -, der für dich und deinen Glauben eintritt.

Artikel vom 31.12.2004