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Europäische Union muss die
Ukraine stärker unterstützen

Europaabgeordneter Brok sieht das gespaltene Land auf gutem Weg

Von Dirk Schröder
Bielefeld/Kiew (WB). Der Sieg des Oppositionsführers Viktor Juschtschenko in der Stichwahl ist für Elmar Brok, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, auch ein Sieg des ukrainischen Volkes in ihrem langen Kampf um Demokratie.
Elmar Brok sprach in Kiew mit Viktor Juschtschenko. Links die bulgarische Oppositionsführerin Nadeschda Michailowa.

Brok, der noch vor einigen Tagen in Kiew mit Jutschschenko, dem noch amtierenden Präsidenten Leonid Kutschma sowie dem Parlamentspräsidenten Wladimir Litwin gesprochen hatte, ist zuversichtlich, dass die Ukraine auf diesem Weg weitergehen wird. »Der Freiheits- und Demokratiewille vor allem der jungen Leute ist sehr stark«, verglich der Bielefelder Europaabgeordnete die friedlichen Proteste, die erst zur Wiederholung der Stichwahl geführt hatten, mit den Leipziger Demonstrationen vor 15 Jahren, die schließlich in der Wiedervereinigung Deutschlands mündeten.
Brok sieht die Chance, dass in der Ukraine jetzt eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, an deren Ende ein demokratisch stabiles und wirtschaftlich aufblühendes Land stehen kann. Eine schwierige Aufgabe, weiß der Europapolitiker. Auch Juschtschenko sei sich dessen bewusst. Brok ist sich aber sicher, dass der ukrainische Hoffnungsträger diesen Prozess maßvoll anpacken werde. Als Präsident müsse er die Spaltung der Ukraine in Ost und West verhindern sowie ein gutes Verhältnis zu Moskau suchen.
Brok forderte eine stärkere wirtschaftliche und politische Unterstützung der EU ein. »Wir müssen der Ukraine eine europäische Perspektive eröffnen.« Brok nannte es verlogen, wenn EU-Kommissar Günter Verheugen für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei kämpfe, aber zugleich erkläre, die Ukraine könne auf keinen Fall beitreten.
Der CDU-Politiker erklärte weiter, da die Europäische Union in nächster Zeit weitere Beitritte nicht verkraften könne, müsse die EU über ihre bisherige Nachbarschaftspolitik hinausgehen. »Wir müssen der Ukraine die Mitgliedschaft in einem neuen Europäischen Wirtschaftsraum eröffnen.« Damit unterstütze die EU den demokratischen Prozess, ohne sich als Alternative zu der russischen Einflusszone zu präsentieren. Im Gegenteil, dies könne zu einem Brückenbau mit einem Russland führen, das nicht in alten imperialen Einflusszonen denke. Brok. »Entscheiden muss die Ukraine am Ende selbst.«
So ganz traut der Europapolitiker dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht, wenn dieser sagt, jedes Wahlergebnis in der Ukraine akzeptieren zu wollen. Gerade am Beispiel der Ukraine sei doch deutlich geworden, dass der Kremlchef erneut begonnen habe, im imperialen Rahmen zu denken. Putin habe den Zusammenbruch der Sowjetunion stets als Fehler angesehen und würde gern den alten territorialen Zustand weitgehend wiederherstellen.
Die Bildung des einheitlichen Wirtschaftsraumes von Russland, Weißrussland, Ukraine und Kasachstan im Frühjahr sei Ausdruck dieser Politik, gleichzeitig aber auch ein Zeichen des Scheiterns der »halbherzigen und phantasielosen Osteuropapolitik« der EU.
Zunächst ist das Ergebnis der Stichwahl in der Ukraine für Brok ein weiterer Sieg im Kampf um die Ideale, wie sie in der KSZE-Schlussakte festgeschrieben sind: Jedes Volk kann demokratisch über sein eigenes Schicksal abstimmen. Bis auf Weißrussland sei dies nun in Europa gängige Praxis.

Artikel vom 28.12.2004