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40 »Arentz-Fälle« im Landtag

SPD-Fraktionschef Moron wirbt für Vereinbarkeit von Mandat und Beruf

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). »Es gibt schon welche, die haben erheblich mehr«, weiß Landtagspräsident Ulrich Schmidt (SPD). 4867 Euro im Monat sind für viele der 231 NRW-Abgeordneten nicht das letzte Wort.

Laurenz Meyer musste diese Woche gehen, weil er monatlich bis zu dreifach kassierte, Hermann-Josef Arentz 14 Tage vorher, weil er zugab, für 60 000 Euro Nebengehalt nicht zu arbeiten.
Und während die Öffentlichkeit rigoros den gläsernen Abgeordneten fordert, sind in Düsseldorf sogar die politischen Gegner der arg gebeutelten CDU eher vorsichtig. Die »erneute Debatte über die Vereinbarkeit von Mandat und Beruf«, schreibt SPD-Fraktionschef Edgar Moron an Schmidt und die Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP und Grünen, berge Risiken. Es bestehe die Gefahr, dass berufliche Tätigkeiten neben dem Mandat »grundsätzlich negativ dargestellt werden«. Besonders für Freiberufler und Selbständige, aber auch »für die Kollegen aus der Wirtschaft« sei es wichtig, ihren alten Beruf eingeschränkt fortzuführen.
Nach dem Gesetz müssen Volksvertreter jede Nebentätigkeit angeben, aber nicht die Höhe des Gehalts. Insofern hat der demnächst aus dem Landtag ausscheidende Arentz alles richtig gemacht. Im Landtagshandbuch gibt er korrekt Auskunft unter Ziffer I / 1a: »Rheinische Braunkohlewerke Aktiengesellschaft, Köln, Angestellter«. Die Vorschriften zwingen nicht, die Gehaltshöhe zu nennen oder nachzuweisen, dass er messbare Arbeitsleistungen erbrachte.
»Im Fall Arentz habe ich nichts zu meckern,« sagte Schmidt denn auch in Düsseldorf. Interessant: Etwa 40 Abgeordnete sind nach Darstellung des Präsidenten in einer ähnlichen Situation wie Arentz. Es sei eben so, dass nicht alle von der Landtagsdiät in Höhe von 4867 Euro ausschließlich leben müssten.
Dabei bleibt unklar, welche Gruppe Schmidt unter den 231 Mitgliedern besonders im Auge hat. 90 Parlamentarier sind Beamte. Ihre Tätigkeit - nur für den Staat - ruht. Die zweitgrößte Gruppe im Landtag mit 85 Personen kommt aus Wirtschaft, Parteien, Fraktionen, Stiftungen, Gewerkschaften oder den Kirchen. Immerhin: Zwei Arbeiter weist das Landtagshandbuch auch aus - einen bei der SPD und einen bei der CDU.
Ein Abgeordneter verdiene etwa so viel, sagt Landtagsvizepräsident Jan Söffing (FDP), wie ein 50 Jahre alter Oberstudienrat. »Wir müssen uns darüber klar werden, wo wir den Maßstab ansetzen«, warnte er in der Diskussion über Abgeordneten-Einkünfte vor einer Neiddebatte. Etwa Freiberufler seien kaum für ein Abgeordneten-Mandat zu gewinnen, wenn die Landtagsdiät die einzige Einnahmequelle sein dürfe.
Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) geht entschieden weiter. Seine Minister müssen alles offenlegen. Das will er, unisono mit seinem rheinland-pfälzischen Kollegen Kurt Beck, jetzt auch für alle Abgeordneten. Kabinettsmitglieder melden hierzulande einmal im Jahr ihre Einkünfte einer unabhängigen Kommission. Die überprüft alles, einschließlich gegebener Möglichkeiten zu Insidergeschäften an der Börse. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 24.12.2004