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Schluss mit der »brotlosen« Kunst

Gründerberater gibt Kulturschaffenden Tipps zur eigenen Vermarktung

Von Elke Silberer
Aachen (dpa). Die Aachener Illustratorin und Cartoonistin Mele Brink hat es geschafft: Sie lebt von ihrer Kunst. Beim Gedanken an den Sprung ins kalte Wasser vor sieben Jahren entfährt ihr ein angestrengtes »Puhh. Das war nicht so einfach.«

Die 36-Jährige hat den Durchmarsch in die Professionalität überstanden. Für sie ist das Image von der »brotlosen Kunst« Vergangenheit. »Die Zeiten, wo man sich Künstler als bettelarme Kreaturen vorstellen muss, sind vorbei«, sagt sie selbstbewusst.
Christoph Backes sieht die wirtschaftliche Situation von Künstlern nicht so optimistisch. Nach Schätzungen von Versicherern kann nur jeder Fünfte von seiner Kunst leben. Backes will einen Impuls zum Besseren geben. Er hat einen Beruf mit Seltenheitswert. Er ist »Gründerberater« für Kulturschaffende. Er macht das, was in der Wirtschaft gang und gäbe ist, in der Kulturszene aber fast einen Tabubruch darstellt: Er spricht mit Künstlern und Kulturschaffenden über Ziele, Marketing und Geld.
»Unternehmer sind Künstler und Künstler sind Unternehmer - wobei die Künstler die schlechter bezahlten Unternehmer sind«, beschreibt Backes die Verbindungen zwischen Wirtschaft und Kultur. Der 34-Jährige ist Chef des Gründerzentrums Kulturwirtschaft Aachen.
»Die meisten sind hoch qualifiziert. Aber in ihrer Ausbildung haben sie nicht gelernt, wie sie davon leben können«, erklärt er. Klassisches Beispiel: Viele fahren Taxi, um Geld zu verdienen, damit sie auch Kunst machen können. Bei der eigenen Vermarktung hört die Kreativität aber auf. »Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Künstler werden entdeckt. Man malt ein Bild, stellt es in die Ecke. Und dann soll jemand kommen, der es kauft.« Kunst muss in die Öffentlichkeit und braucht Aufmerksamkeit. Der Mann kennt sich aus: Er war Schauspieler, Regisseur, hat Betriebswirtschaft studiert und im Marketing gearbeitet. Er spricht die Sprache der Kultur und denkt in Zahlen und Bilanzen. Eins fällt ihm immer wieder auf: Künstler neigen dazu, sich unter Wert zu verkaufen.
Zu denen gehört Harald Pilar von Pilchau. Der Schauspieler arbeitet am Aachener Grenzlandtheater, startete als Freiberufler eine zweite Karriere als Komponist und Sänger. Er selbst organisiert seine Auftritte, rührt die Werbetrommel, kalkuliert Preise. Und die sind manchmal viel zu niedrig.
Seine erste CD wollte er bei einem Konzert für fünf Euro verkaufen. Als er das in einem Workshop des Gründerzentrums diskutierte, gab es Protest. »Wenn du die CD für fünf Euro anbietest, denken die Leute, das ist Ramsch«, erinnert er sich an die Reaktion. Er hat gelernt. Die CD kostet heute 9,90 Euro.

Artikel vom 24.12.2004