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Versmolderin besiegt tückische Krankheit

Frau magerte ab und wurde zehn Zentimeter kleiner

Von Stefanie Hennigs
Versmold (WB). Magenkrämpfe nach jedem kleinen Bissen, nach jedem Schluck Wasser. Jahrelange Durchfälle, die sie auf 34 Kilogramm abmagern ließen: Birgit Beintmann (27) aus Versmold (Kreis Gütersloh) ist fünf Jahre lang durch die Hölle gegangen.
Birgit Beintmann (27) aus Versmold kann endlich wieder lächeln. Sie hat ihre tödliche Krankheit überwunden. Foto: Wolfgang Wotke

Die Diagnose »Morbus Crohn« war für die zierliche Versmolderin fast das Todesurteil. »Dass ich noch lebe, habe ich den Ärzten und meiner Familie zu verdanken«, sagt sie heute. Und dass sie etwas tun kann, was viele Betroffene nicht wagen: über ihre schmerzhafte chronische Darmerkrankung sprechen.
»Ich bin dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen«, sagt die 27-Jährige. Dass es ihr heute - dank eines neuen Medikaments aus den USA - möglich ist, ein halbwegs normales Leben zu führen, scheint ihr mit Blick auf ihre lange Leidensgeschichte wie ein Traum. Denn fünf Jahre hatte die Schwimmmeisterin (»Mein Traumberuf!«) unter Dauer-Durchfall und Magenschmerzen gelitten. Während junge Leute in ihrem Alter in die Disko gehen, studieren oder erste Schritte im Berufs- und Familienleben unternehmen, wurde Birgit Beintmanns Welt durch die Diagnose »Morbus Crohn« plötzlich winzig klein. »Ich hatte nach jedem Essen furchtbare Bauchschmerzen und Durchfall, denn der Darm war komplett entzündet. Länger unterwegs zu sein war nicht möglich, weil man ständig auf die Toilette muss. Ich konnte nichts mehr essen und trinken.«
Als nach einer Darmspiegelung die Diagnose kam, war die Versmolderin am Boden zerstört. »Ich habe die Krankheit nie akzeptiert«, sagt sie über die Erkrankung, unter der nach Schätzung der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa-Gesellschaft allein 300 000 Deutsche leiden. Die Ursache der schubweise verlaufenden Krankheit ist unbekannt.
»Manche können damit einigermaßen gut leben - ich allerdings nicht.« Birgit Beintmann wurde immer dünner - bis zum absoluten Tiefpunkt vor einigen Monaten. »Ich hatte nur noch Schmerzen, habe sogar Morphium bekommen, was irgendwann auch nicht mehr half. Da wollte ich nicht mehr.« Nach Jahren der Mangelernährung und Cortison-Therapie kam zu der Darmerkrankung auch noch Osteoporose hinzu - der Körper war kaum noch belastbar. »Ich konnte nicht mal mehr stehen.« Wegen der Knochenerkrankung brachen mehrere Wirbel, heute ist die 27-Jährige knapp zehn Zentimeter kleiner als noch vor einigen Monaten und trägt - noch - ein Korsett.
Das Medikament »Remicade« hat der Versmolderin im Sommer ihr zweites Leben geschenkt. »Binnen weniger Tage waren die Durchfälle weg.« Allerdings nicht für immer: Alle acht Wochen muss sie zur Behandlung nach Bielefeld fahren, um in den Städtischen Kliniken Rosenhöhe eine Infusion zu erhalten. In einer Reha-Klinik wurde die Patientin (»Ich war nur noch Haut und Knochen.«) wieder aufgepäppelt. 52 Kilogramm bringt sie wieder auf die Waage: »Ich konnte meine Hosen wegwerfen, weil ich nirgends mehr hineinpasste.« Noch braucht sie für längere Strecken Krücken und im Alltag die Hilfe ihrer Familie. Im Sommer möchte sie eine Umschulung zur Bürokraft machen, um endlich wieder zu arbeiten.
Ihre Träume hat Birgit Beintmann trotz ihrer langen Leidenszeit nicht verloren: »Ich möchte wieder als Schwimmmeisterin arbeiten, mit einem Partner eine Familie gründen und ein kleines Häuschen haben.« Momentan, sagt sie nach einer kleinen Pause, »bin ich allerdings froh, dass ich überhaupt lebe...«

Artikel vom 18.12.2004