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Stern von Bethlehem
bekommt Konkurrenz

Kleine Lichterketten kosten 17 Euro Strom im Monat

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Ostwestfalen-Lippe strahlt immer mehr. Lichterketten an Fenstern und Türrahmen sowie funkelnde Schläuche an Häuserfassaden haben Hochkonjunktur. »Das ist die Faszination Licht - in Weihnachtsbeleuchtung wird kräftig investiert«, sagte Karl-Ernst Starke vom OBI-Baumarkt in Bielefeld-Brackwede.
Der Weihnachtsmann vor einem Haus in Halle. Foto: André Best

Marktkauf, OBI, Praktiker, Hornbach und IKEA profitieren von dem Trend, das Grundstück in der Weihnachtszeit so richtig herauszuputzen. Besonders beliebt sind Leuchtschläuche von vier, neun oder zwölf Metern Länge, die sich zu Ketten kombinieren lassen. »Erstens sind sie wetterfest, und zweitens kann man mit ihnen Weihnachtsmänner und Engel formen«, erklärt Karl-Ernst Starke.
Dass Nikolausfiguren in Vorgärten, an Häuserwänden und auf Dächern deutlich zugenommen haben, hat Christiane Cantauw beobachtet. Als Volkskundlerin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) weiß sie, woher der Brauch stammt. »Die Faszination Licht hängt ganz eng mit der Bibel zusammen«, sagt Cantauw. An vielen Stellen der Heiligen Schrift spiele Licht als Metapher eine zentrale Rolle. Jesus fordere seine Anhänger mit den Worten »Ihr seid das Licht der Welt« zur Verbreitung des Christentums auf. »Licht symbolisiert die Frohe Botschaft«, erklärt Cantauw, Wissenschaftliche Referentin der Volkskundlichen Kommission des LWL in Münster.
Der Brauch, im katholischen Westfalen das Haus zu beleuchten, gehe auf die Ucht zurück, die Frühmesse am ersten Weihnachtstag. Weil es bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Straßenbeleuchtung gab, hätten Anwohner der Kirche Kerzen ins Fenster gestellt, um den Gläubigen den Weg durch die Dunkelheit zu weisen. »Weihnachten scheute die Kirche keine Kosten und Mühen, damit das Gotteshaus in hellem Lichterglanz erstrahlt«, erzählt Cantauw. Ende des 18. Jahrhunderts habe Österreichs Kaiser Joseph II. vergeblich versucht, die vermeintliche Verschwendung von Kerzenwachs einzudämmen.
Im 21. Jahrhundert hat sich der Lichterglanz an den Häusern von den kirchlichen Wurzeln gelöst. Die Psychologin Hildegard Belardi aus Bergisch-Gladbach wittert Imponiergehabe: »Das ist ein Rivalitätskampf, der mit Wattstärke entschieden wird.« In Altenbeken im Kreis Paderborn wird abends nicht nur der Viadukt angestrahlt. Ein Hausherr am Ortsausgang hat sein Grundstück von der Außenmauer bis zum Hausdach komplett mit Lichterketten dekoriert.
In solchen Fällen wird die Faszination Licht teuer, wie die Energieberater der Verbraucherzentrale NRW herausgefunden haben. »Festbeleuchtung im Dauerbetrieb hat ihren Preis«, warnt Peter Blenkers. Beim Messtest von Beleuchtungsketten habe sich gezeigt, dass ein Leuchtschlauch von vier Meter Länge mit 140 Watt am Tag 3,4 Kilowattstunden Strom verbrauche. Die festliche Nonstop-Beleuchtung koste bei einem Preis von durchschnittlich 16 Cent pro Kilowattstunde 54 Cent pro Tag. »Leuchtet eine solche Lichterkette einen Monat lang rund um die Uhr, kommt die stattliche Summe von annähernd 17 Euro zusammen«, rechnet Blenkers vor.
Wer sein Haus bescheiden illuminiere, komme jedoch günstig weg, beruhigt der Sprecher der Stadtwerke Bielefeld, Wolfgang König. »Beleuchtung ist die kleinste Position beim Stromverbrauch, und Lichterketten machen in einem Haushalt mit einem Durchschnittsverbrauch von 3000 Kilowattstunden höchstens ein Prozent aus.«

Artikel vom 16.12.2004