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Handball ist sein Leben

Die Autobiographie des Bundestrainers Heiner Brand

Es ist eine wohltuende Abwechslung in einer Zeit, wo schon 17-jährige quäkende Pop-Sternchen ihre Luftblasen-Biographien schreiben ließen. Handball-Bundestrainer Heiner Brand wartete damit bis nach seinem 52. Geburtstag.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung passte: Die deutsche Männer-Nationalmannschaft kehrte aus Athen mit Silber zurück, das Buch kam auf den Markt.
Literarisch kein Glanzstück, doch die Informationsfülle über den deutschen »Kaiser« in dieser wohl härtesten Ball-Sportart ist gigantisch: Über seine Herkunft, das besondere Verhältnis zu seinem Vater »Cherry«, zu Gummersbachs Legende Eugen Haas, die nicht vorhandene Chance in der Brand-Dynastie dem Handball zu entfliehen, das Mobbing gegen den Weltstar Hans-Günther (»Hansi«) Schmidt, seine Stationen als Spieler, als Trainer erfährt man - fast - alles. Selbstkritisches, vor allem im Umgang mit seiner eigenen Familie, speziell seinen Kindern, klingt mehrmals an. Angereichert ist das Buch mit Stellungnahmen langjähriger Wegbegleiter.
Und neben den Fakten gibt es auch Emotionen. Vor allem wenn es um »Jo« Deckarm geht. Seinem Mitspieler und Freund, an dessen Seite er sich gemeinsam gegen Schmidt, wie Deckarm ein Halblinker auf höchstem Welt-Neveau, durchsetzte und damit die erfolgreichste Zeit des VfL einleitete. Bis zu jenem 30. März 1979.
Dieser Tag in Tatabanya - er hat Brand bis heute nicht losgelassen. »Das Bewusstsein über den damaligen Einschnitt ist unauslöschbar.... Ich werde nie vergessen, wie wir die Nachricht bekamen, dass Joachim aus dem Koma erwacht sei. Die Emotionen übermannten einen, wir wussten ja auch nicht wirklich einzuordnen, was das bedeuten würde, und wie Joachims Gesundheitszustand wirklich war. Mit einem von Jo bevorzugten Gesellschaftsspiel unter dem Arm machten sich Claus Frey und ich auf den Weg zum ihm ins Krankenhaus. In unserer Freude über sein Erwachen hatten wir uns nicht ausreichend vorbereitet auf diesen ersten, lang ersehnten Besuch und das Wiedersehen. ...An seinem Krankenbett angekommen, mussten wir uns von einem Moment auf den nächsten darüber klar werden, dass sich die Uhr würde nicht wieder zurückdrehen lassen. Draußen auf dem Flur hatten Claus und ich mit unseren Gefühlen und mit unserer Enttäuschung zu kämpfen. Wir haben geweint. Hatten wir geglaubt, Jo gleich wieder mit nach Hause, mit zum Training nehmen zu können?« Oliver Kreth
Heiner Brand: Biografie des Handball-Bundestrainers. Verlag Wero Press, Pfaffenweiler, Preis: 19,95

Artikel vom 18.12.2004