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Der Buntspecht


Als »Zimmermann des Waldes« wird der Specht gern bezeichnet, Kletterartist am Baum ist ebenso zutreffend. Ein speziell ausgerüsteter Fuß ermöglicht es, die vier Zehen auch paarweise (vorn und hinten je zwei) zu nutzen. Überwiegend haben Vögel drei Zehen nach vorn und eine nach hinten gerichtet. Beim Specht ist also eine davon drehbar.
Für das Klettern am senkrechten Baumstamm ist diese Flexibilität der Zehen ein unschätzbarer Vorteil, weil ein besserer Halt erreicht wird. Stabilität in der Senkrechten sichert zudem der Stützschwanz. Die Enden der Schwanzfedern sind auf den Federschaft reduziert und bieten zusätzlichen Halt. Für die Aufwärtsbewegung und das Seitwärtsklettern sind die Spechte damit bestens ausgerüstet. Eines bleibt allerdings den Kleibern vorbehalten: Sie können auch mit dem Kopf voran hinunterklettern.
Diese ungewöhnlichen Fähigkeiten sind wichtig für die Nahrungssuche. Der Buntspecht (schwarzweißes Gefieder, am Bauch scharf rot abgesetzt) sucht am Baumstamm Insekten und Spinnen, die sich hinter der Borke und der Rinde verstecken. Und der starke Schnabel leistet der Art gute Dienste, um Käferlarven in tieferen Holzschichten freizulegen. Wo selbst der Schnabel nicht mehr vordringt, schafft das garantiert die vier Zentimeter lange Zunge. Ihre Widerhaken packen auch Larven, die sich in Bohrgängen verstecken.
Der Speiseplan des Buntspechts ist jedoch noch umfangreicher. Er umfasst zum einen Eier und Nestlinge anderer Höhenbrüter, zum Beispiel Meisen. Es steht aber auch pflanzliche Nahrung darauf: Beeren, Samen aus Fichtenzapfen oder Haselnüsse. Um sie zu »ernten«, bedient sich der Specht einer erfolgreichen Technik. Er trägt Zapfen oder Nüsse an eine Stelle, wo er sie in Astgabeln, Baumspalten und selbst gezimmerten Mulden ablegen oder einklemmen kann und bearbeitet sie dann mit seinem Schnabel. Fachleute nennen solche Orte, die aufgrund ihrer Spuren auszumachen sind, »Spechtschmiede«.
Der starke Schnabel ist auch wichtiges »Handwerkzeug« beim Freilegen von Höhlen für die Brut. Der Buntspecht setzt ihn aber auch ein, um das Brutrevier im Frühjahr gegen die Konkurrenz der Artgenossen abzugrenzen. Ein abgestorbener Ast bietet dafür den besten Resonanzboden. Und selbst harte Trommelschläge machen ihm dabei nichts aus.
Fünf bis sieben Eier legt das Spechtweibchen in die mit Holzspänen gepolsterte Höhle und bebrütet sie neun bis zwölf Tage. Nach rund 20 Tagen fliegen die Jungen bereits aus. Und wenn die Baumhöhle von Familie Specht nicht mehr genutzt wird, gibt es bereits interessierte »Nachmieter«: verschiedene Meisenarten, Trauerfliegenschnäpper, ja selbst Fledermäuse nutzen sie als Unterschlupf oder als Kinderstube. Der Buntspecht ist übrigens die in Bielefeld und Westfalen am häufigsten vertretene Art, die vorzugsweise in oder an Wäldern, Grünanlagen und Parks mit dichtem Baumbestand leben. Rund 20 000 bis 50 000 Paare sind es in Westfalen.

WESTFALEN-BLATT und Naturschutzbund (NABU) Bielefeld stellen in dieser Serie Vögel vor, die in Ostwestfalen ständig oder vorübergehend leben. Biologe Dr. Wolfgang Beisenherz und Redakteurin Elke Wemhöner porträtieren in der der nächsten Folge am Dienstag denSeidenschwanz

Artikel vom 09.12.2004