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»Kleines Dorf« trotzt
der Finanzmisere

Haushaltsplanentwurf für 2005 vorgestellt

Verl (ehl). »Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein, ein kleines Dorf eben nicht.« Bürgermeister Paul Hermreck zitierte in seiner ersten Haushaltsrede aus Asterix und Obelix. Denn genau wie die unbeugsamen Gallier bilden die Verler einen weißen Fleck auf der Landkarte - zumindest in Sachen Finanzen.

Neidvoll dürften viele andere Kommunen - erst recht die 180 in NRW, die aktuell im Haushaltssicherungskonzept stecken - auf Verl schauen. Denn die Eckdaten des Etatentwurfs für 2005 präsentieren sich fast wie im Bilderbuch: keine Kreditaufnahme, dafür aber eine Zuführung vom Verwaltungs- in den Vermögenshaushalt in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro, keine Steueranhebung, dafür aber ein rund 2,7 Millionen Euro höherer Ansatz für die Gewerbesteuereinnahmen. Dazu kommt der Ausblick auf die Schuldenfreiheit ab Mitte nächsten Jahres - und das in Zeiten, wo die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in Kommunen vergleichbarer Größe bei rund 950 Euro liegt.
Die Gewerbesteuereinnahmen seien in den vergangenen Monaten geflossen, »wie wir es uns in den kühnsten Träumen nicht erhoffen konnten«, berichtete Hermreck bei der Vorstellung des Etatentwurfs zusammen mit Kämmerin Susanne Koch in der Ratssitzung am Montag. Die Verwaltung glaubt daher guten Gewissens empfehlen zu können, den Ansatz der Gewerbesteuereinnahmen im Etat für 2005 von 14,8 auf 17,5 Millionen Euro heraufzusetzen.
Aus der »sensationell guten Entwicklung« lasse sich aber keinesfalls schon ein allgemeiner konjunktureller Aufschwung ablesen, dämpfte Hermreck im gleichen Atemzug allzu hohe Erwartungen. In Verl verdanke man das Plus »in erster Linie einer Handvoll erfolgreicher Unternehmer«, die sich trotz schwieriger Bedingungen am Markt ausgezeichnet positionierten, stellte er klar. Zudem blieben durch die neue Berechnung der Gewerbesteuerumlage und des Fonds Deutsche Einheit 2005 fast eine Million Euro mehr in der Gemeindekasse als 2004.
Im Gegenzug erhöht sich aber die Kreisumlage für Verl um 900 000 auf 13,6 Millionen Euro. Für 2006 sei ein weiterer Anstieg zu erwarten, kündigte Hermreck an. Ein Grund: die Neuregelung und Zusammenfassung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, besser bekannt unter dem Stichwort »Hartz IV«, die Verl über die Kreisumlage mit gut 1,3 Millionen Euro belasten werde.
Die für das laufende Jahr vorgesehene Entnahme aus der Rücklage in Höhe von 0,9 Millionen Euro ist aufgrund der aktuellen Entwicklung nicht mehr notwendig. Stattdessen kann voraussichtlich ein Überschuss aus dem Haushaltsjahr 2004 in den Sparstrumpf gesteckt werden. Werden wie von der Verwaltung geplant im kommenden Jahr 0,4 Millionen Euro entnommen, hätte die Gemeinde Ende 2005 noch 2,4 Millionen Euro auf dem Konto.
Von der vergleichsweise guten Finanzlage sollen zwei Dachverbände profitieren: Die Verwaltung will die vor zwei Jahren beschlossene zehnprozentige Fördermittelkürzung für den Gemeindesportverband und den Musik- und Kulturverband für 2005 zurücknehmen. »Das ist aber kein Blankoscheck für die nächsten Jahre«, unterstrich Hermreck.
An Planungskosten sind 100 000 Euro für den Um- oder Neubau des Rathauses und 60 000 Euro für ein neues Feuerwehrgerätehaus vorgesehen. Zudem soll die Feuerwehr einen neuen Einsatzleitwagen für 56 000 Euro erhalten. 195 000 Euro will die Verwaltung in neue EDV-Programme investieren. Bei den Schulen sind keine Neubauten geplant. Die Pavillonklassen der Realschule seien zwar nicht optimal, im Hinblick auf die demographische Entwicklung, die einen dramatischen Rückgang der Schülerzahlen erwarten lasse, sei ein Neubau aber nicht vertretbar, sagte Hermreck. Ausgaben für Erhaltungsmaßnahmen in den Schulen sind indes im Etat vorgesehen: 101 500 Euro für die Sanierung der St.-Georg-Schule und 200 000 Euro für die Modernisierung der Aula der Realschule. Für die neue Zweifachsporthalle, für die 2005 der erste Spatenstich erfolgen soll, sind 855 000 Euro eingeplant.
Zum Abschluss seiner etwa 20-minütigen Haushaltsrede dankte Hermreck ausdrücklich den Mitarbeitern der Kämmerei und insbesondere Heinrich Wulle. Der »Magier der Zahlen«, so der Bürgermeister, habe extra seine Geburtstagsfeier verschoben, damit der Haushaltsplanentwurf pünktlich zur Ratssitzung vorlag.

Artikel vom 24.11.2004