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Weißrussland hält kranke
Kinder fest

Präsident kündigt Reiseverbot an

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Paderborn (WB). Russland, Rumänien und Weißrussland verweigern kranken Kindern Hilfe in Deutschland. Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko kündigte vergangene Woche an, Erholungsreisen für Jungen und Mädchen generell zu verbieten.

Seit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl (Ukraine) im Frühjahr 1986 wurde in NRW 80 000 Kindern aus der besonders im Nachbarstaat Weißrussland verstahlten Umgebung geholfen. Die Arbeitsgemeinschaft »Kinder von Tschernobyl in Deutschland« hat das Bundesaußenministerium und die Deutsche Botschaft in Minsk aufgefordert, Lukaschenko zum Verzicht auf das Verbot zu drängen. Der Präsident verstoße gegen drei Abkommen, sagte der Vorsitzende Burkhard Homeyer aus Münster gestern dieser Zeitung.
Erstens hätten Weißrussland und Deutschland in der Absichtserklärung vom 3. März 1994 versprochen, alles zu tun, um Erholungsreisen zu ermöglichen. Zweitens habe die UNO in Artikel 24, Absatz 4 der 1989 verabschiedeten Kinderrechtskonvention festgelegt, dass zwischenstaatliche Zusammenarbeit zur »Gesundung von Kindern« nicht behindert werden dürfe. Ein Jahr später schließlich, betonte Homeyer, habe die UNO alle Länder noch einmal aufgefordert, den Opfern von Tschernobyl zu helfen. Lukaschenko begründe das Reiseverbot für Minderjährige damit, die Kinder würden durch die westliche Konsumgesellschaft verdorben. In Wahrheit wolle der »letzte Diktator in Europa« junge Menschen von den liberalen Ideen des Westens abkoppeln.
Die Tschernobyl-Initiative Bad Salzuflen hat seit 1992 etwa 500 Kindern aus der weißrussischen Stadt Mosyr, 60 Kilometer von Tschernobyl entfernt, geholfen. Sie genossen 14 Tage lang auf Norderney oder Langeoog gesunde Seeluft und wurden weitere zwei Wochen bei Gasteltern vitaminreich ernährt.
»Dadurch konnten wir ihr Immunsystem stärken«, sagte Manfred Vogel. Dessen Tschernobyl-
Initiative und die Luftbrücke für atemwegserkrankte Kinder in Bad Lippspringe bestätigten, dass auch Länder wie Russland und Rumänien Erholungsreisen zunehmend erschwerten. »Die Bürokratie ist reine Schikane, geradezu menschenverachtend«, beklagte der Geschäftsführer der Luftbrücke, Rudolf Broer. Luftbrücke-Präsident Friedhelm Ost, Ex-Regierungssprecher von Helmut Kohl, kritisierte: »Lukaschenkos Reiseverbot ist eine diktatorische Maßnahme, um das Land abzukapseln und die Kontakte zum Westen auf ein Minimum zu begrenzen.« Zudem wolle Lukaschenko die Mängel bei der medizinischen Versorgung im eigenen Land verschleiern. Seite 4: Hintergrund
und Kommentar

Artikel vom 23.11.2004