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Wunderbar inspirierender Klavierabend

Bulgarischer Pianist Stanislav Unland-Boianov verzaubert seine Zuhörer

Bünde (BZ). Mit einem herrlichen Soloabend stellte sich jetzt der junge bulgarische Pianist Stanislav Unland-Boianov dem Bünder Konzertpublikum vor. Den meisten Musikfreunden der Dammhaus-Konzertreihe ist dieser junge Mann längst ein Begriff, denn er gastierte bereits im Februar 2000 mit Dina Urgorskaja in Bünde. Damals präsentierten beide ein furioses Programm für Klavier zu vier Händen.
Diesmal stand Stanislav Unland-Boianov als Solist auf dem Podium und er erwies sich als eine wirkliche Ausnahmeerscheinung unter den jungen Pianisten. Auf dem Programm standen Werke aus der Zeit der Klassik, Romantik und des Impressionismus und, um es gleich vorwegzunehmen, für den Musikliebhaber gab es ungeheuer viel Neues zu entdecken.
Bereits mit seinem ersten Werk, Beethovens berühmter »Pathétique«, schlug Stanislav Unland -Boianov alle Zuhörer in seinen Bann. Mit einer atemberaubenden Leichtigkeit entschlackte er das Werk von allem falschen Pathos, zurück blieb ein neuer »wunderbarer« Beethoven, der einfach hinreißend anzuhören war. Jenseits aller Technik, jenseits aller Virtuosität, die Stanislav Unland-Boianov gleichwohl in reichem Maße besitzt, bot der junge Künstler eine Interpretation dar, die man nicht oft zu hören bekommt. Mit einer unglaublichen Weichheit ließ er Kantilenen erblühen, »streichelte« förmlich die Tasten und befand sich mit seinem Instrument und Beethovens grandiosem Werk im völligen Einklang. Die »Pathétique« lebte und atmete und der Zuhörer konnte einfach nur staunen und genießen. Wenn man denkt man würde ein Werk gut kennen, so wurde man hier eines Besseren belehrt. Jede Note erfuhr ihre eigene Wertschätzung und machte diese Interpretation durch Stanislav Unland-Boianov zu einem unvergleichlichem Erlebnis.
Auch das nächste Meisterwerk des Abends lebte ganz durch die Kunst Stanislav Unland-Boianovs. In dem Werk »Valleé d'Obermann« von Franz Liszt setzt sich der Komponist virtuos mit den Erfahrungen des Menschen angesichts der Größe der Schweizer Bergwelt auseinander. Hochsensibel brachte der junge Pianist die Fragilität des Menschen im Anblick der Monumentalität der Natur zum Ausdruck. Musikalische Fragen wurden aufgeworfen, standen glasklar im Raum und wurden mit Kaskaden von virtuosen Ausdrucksmitteln des Klaviers beantwortet. Stanislav Unland-Boianovs Kunst bestand insbesondere in der genialen Verbindung dieser ausgesprochen divergierenden kompositorischen Prinzipien, die er fulminant vorzutragen wusste.
Mit zwei vom Charakter her sehr unterschiedlichen »Préludes« von Claude Debussy verabschiedete sich der begabte Pianist in die Pause. Mit den »Voiles« wurde der Zuhörer in die impressionistische Welt der Farben entführt, die Debussy meisterlich in Töne und Klänge transferiert hat. Voller Charme und mit einer unglaublichen Leichtigkeit gestaltete sich das Bild eines Segels bzw. Schleiers vor dem Auge/Ohr des Zuhörers. Um so pittoresker wirkte dann die folgende musikalische Miniatur »Minstrels«, das tönende Bild fahrender Sänger im Mittelalter. Voller rhythmischer Impulse und burleskem Esprit ließ Stanislav diese lustige Völkchen auf den Klaviertasten zum Leben erwachen.
Nach der Pause erklangen dann ausschließlich Werke von einem der ganz Großen unter den Klavierkomponisten: Frédéric Chopin. In seinem kurzen Künstlerleben hat Chopin eine Fülle von kleineren Klavierwerken komponiert, die sich zum Teil auch bei fortgeschrittenen Klavierschülern größter Beliebtheit erfreuen. Daneben stehen aber solche Werke, die so großartig sind und voll Virtuosität und Vitalität stecken, dass sich an sie nur die ganz großen Pianisten wagen sollten. Stanislav Unland -Boianov schienen sie förmlich auf den Leib geschnitten zu sein. In den Mazurken stand neben dem polnischen Nationalkolorit viel zauberischer Esprit im Vordergrund. Mit den Nocturnes vertiefte sich der Pianist ganz in die romantische Seele des Komponisten und mit der Bacarole und den Etüden wurde noch einmal die virtuose Seite Chopins zum Schwingen gebracht. Stanislav Unland-Boianivov verstand dies ganz unvergleichlich, einfach perfekt, charmant und erfrischend unpathetisch gelangen ihm seine Interpretationen. Frei jeglichen Pathos, das sich gerade bei den berühmteren dieser Stücke, z.B. der Etüde in E-Dur oder der Revolutionsetüde gerne breit macht, spielte der Künstler diese Werke und ließ sein Publikum völlig verzaubert und in der Gewissheit einen einmaligen Klavierabend erlebt zu haben zurück.
Mit einem Stück von Mendelssohn bedankte sich Stanislav Unland-Boianov für den herzlichen Applaus und das Bünder Publikum wird ihn noch lange in allerbester Erinnerung behalten.
Heike Susanne Festerling, M.A.

Artikel vom 24.11.2004