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Im Traumland der Biologen

Vier Wochen einzigartige Tier- und Pflanzenwelt Madagaskars erkundet

Von Elke Wemhöner
Bielefeld (WB). Flora und Fauna der viertgrößten Insel der Erde sind einzigartig und sie sind bedroht. Eine achtköpfige Gruppe von Biologie-Studenten und -Dozenten aus Bielefeld war während einer vierwöchigen Exkursion auf den Spuren von Halbaffen und Reptilien, die nur auf Madagaskar leben.

Die Reise in ein Land, das nur über drei durchgängig asphaltierte Straßen verfügt, hat etwas Abenteuerliches. Wenn ein Jeep für eine Strecke von 100 Kilometern zehn Stunden Fahrzeit benötigt, bleibt selbst die gründlichste Reiseplanung am grünen Tisch vor Ort auf der Strecke. Zumal es auf Madagaskar 18 verschiedene Bevölkerungsgruppen mit eigenen Sprachen gibt. »Ohne unseren Führer Jojo hätte das alles nicht geklappt«, meint Sebastian Gehring, der Initiator der Exkursion.
Der Biologie-Student wollte sich einen Kindertraum erfüllen: einmal Madagaskar bereisen. Durch unermüdliches »Trommeln« im Kommilitonen-Kreis hatte er fünf Mitreisende gefunden: Nils Hasenbein, Anna-Lena Kubrika, Jennifer Krupke, Gesine Müller und Uli Zumkier. Und in Dr. Wolfgang Beisenherz und Dr. Michael von Tschirnhaus fanden sie dann auch Dozenten, die sich dafür begeistern ließen. Während die Studenten durch eisernes Sparen, Nebenjobs und Suche nach privaten Sponsoren ihre Reisekassen füllten, befassten sie sich unter Anleitung der Dozenten bereits fachlich mit ihrem Ziel, der großen Insel an der Ostküste Afrikas. Der Insel mit der größten Vielfalt an Affenbrotbäumen, den meisten Chamäleon-Arten und dem einzigartigen Halbaffen-Bestand. Und ebenfalls parallel lief die Reiseplanung, für die Kieler Kollegen der Dozenten eine wichtige Kontaktadresse auf Madagaskar geliefert hatten. Die Bielefelder bauten auf den empfohlenen Jojo (madagassische Eigennamen sind sehr lang und beinahe unaussprechlich) und hatten damit einen Glücksgriff getan.
Dank seiner Hilfe gelangten sie während ihres vierwöchigen Aufenthaltes von Ende August bis Ende September nicht nur im Nationalpark Marojejy, sondern auch an weiteren Zielen schnell dorthin, wo es für Biologen am interessantesten ist. Jojo und seine Helfer wissen, wo das größte Chamäleon lebt und wo als Gegenstück die kleinste Art zu finden ist. Sie führten die Bielefelder zum Lebensraum der größten Halbaffenart, dem Indri. »Den gibt es in keinen Zoo der Welt zu sehen«, merkt Dr. Beisenherz an. Aber auch Wieselmaki oder Kronenmaki, ebenfalls Halbaffenarten, beeindruckten die Europäer.
Und dank der kundigen Führer konnten die Biologen einen guten Überblick über die verschiedenen Landschaften Madagaskars gewinnen. Unberührte Regenwälder gibt es nur an wenigen, mittlerweile geschützten Stellen. Das jahrelange Abholzen der Wälder und auch Brandrodung für die Landgewinnung haben schwere Wunden geschlagen, die im Hochland durch nachhaltige Erosion die Zerstörung der Flora zur Folge hatte - mit dramatischen Folgen. »Nur fünf Prozent der natürlichen Vegetation sind noch vorhanden«, macht Dr. Beisenherz das Ausmaß deutlich. Um so mehr seien die Bemühungen um einen sanften Tourismus zu loben. Dessen Qualität steht und fällt mit einem Touristen-Führer, der sich gut auskennen und unnötige Störungen der Biotope vermeidet.
Wer, wie die Biologen-Gruppe, mehr sehen will, muss sich mit Zelt ausrüsten und auf Strapazen einstellen. Für Ausflüge ins Landesinnere waren auch Lebensmittel mitzunehmen: »Die lebenden Hühnern landeten später im Kochtopf«, gibt Uli Zumkier ein Beispiel. Selbst an die Digital-Kameras war gedacht: deren Akkus wurden am Zigarettenanzünder im Jeep wieder aufgeladen. Und so können die Madagaskar-Reisenden anhand von 4 000 Fotos ihre Eindrücke am PC-Bildschirm wach halten.

Artikel vom 20.11.2004