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»Tante Thalia« lupfte
schadenfroh ihre Röcke

Theater im Theater sorgt bis heute für Lacherfolg

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Ines Buchmann putzt als arbeitslose Schauspielerin Klinken. Buchstäblich. Das »Kunstinstitut Striese« ist Vergangenheit. Perdue. Obwohl 1886 geschrieben, beschreibt »Frau Director Striese« das Theater von heute. Auf zehn Minuten gestrafft haben Regisseur Christian Schlüter und Dramaturg Uwe Bautz die Fortsetzung von »Der Raub der Sabinerinnen« und es dem Schwank als Uraufführung voran gestellt.

Der Schwank-Dauerbrenner aus wilhelminischer Zeit hatte am Samstag im Theater am Alten Markt Premiere. Triumph und Scheitern - das Theater im Theater ist stets ein dankbarer Stoff. »Tante Thalia« lupft die Röcke - und das Publikum amüsiert sich königlich. Dabei ist der Coup verwickelt, Bühnenbildner Jürgen Höth hat eine Kulisse geschaffen, die es erlaubt, von allen Seiten aufzutreten - durch die Wand sogar und durch den Schrank. Mitunter werden Auftritte waghalsig herbei geführt, aber schließlich werden komische Situationen dadurch gestiftet, wer wen trifft und zu welchen Missverständnissen es dann kommt. Erzählt wird die Geschichte des Theaterdirectors Striese, der mit seiner Truppe in der Provinz unterwegs ist und eines Tages im Wohnzimmer von Professor Gollwitz landet. Striese findet schnell heraus, dass Gollwitz als »Jugendsünde« eine selbst verfasste Römertragödie in der Schublade hat. Striese will das unsägliche Werk auf die Bühne bringen, denn er weiß, allein die Schadenfreude treibt das Publikum in Scharen in den Saal. Er macht sich nach dem Prinzip »Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen« auf Biegen und Brechen ans Werk. Letztendlich rettet ihm aber einzig die Geistesgegenwart seiner Frau vor einer abgrundtiefen Blamage: Sie nennt den »Raub der Sabinerinnen« eine Parodie - und schon schämen sich die Honoratioren, dass sie das nicht gleich verstanden haben. »35 Vorhänge, Auguste, 35 Vorhänge,« jubelt Striese. Fast so viele waren es bei der Premiere. Harald Gieche als honoriger Säule der Provinz-Society steht unter der Fuchtel seiner Gattin (Carmen Priego), der spießig-solide Schwiegersohn (Florian von Manteuffel) unter der seiner Frau (Nicole Paul), Paula (Katharina Zoffmann) liebt Emil (Mathias Reiter), der wiederum Angst vor dem Herrn Papa (Max Grashoff) hat; Thomas Wolff als Striese hält die Ehre seiner Frau (Christina Huckle) hoch - und alle zusammen machen jede Teppichkante zur Bühnenrampe. Große Gesten, Komik und ein bisschen Klamauk, aber auch berührende Monologe, wie der von Striese über die »Schmiere«.
Nicht versäumen!

Artikel vom 15.11.2004